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Facebook spielte im US-Wahlkampf zweifellos eine wichtige Rolle – doch wohl nicht so sehr, wie ein Artikel des "Magazins" es nahelegt

Foto: APA/EPA/Nelson

Der Artikel gehört wohl zu den am meisten geteilten Inhalten der vergangenen Tage: "Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt", veröffentlicht im "Magazin" des Schweizer "Tagesanzeigers" erzählt die Geschichte eines Wissenschafters, der mit seinen Forschungen über Facebook-Daten quasi die Büchse der Pandora öffnet – und dessen Entdeckungen von einer PR-Firma namens Cambridge Analytica übernommen und eingesetzt werden, um Trump zum Sieg und den Brexiteers zum Wahlerfolg zu verhelfen.

Psychogramme durch Facebook-Likes

Im "Magazin" erzählt der Forscher Michal Kosinski, wie er es mit Big Data-Analysen, aufgrund der vergebenen Facebook-Likes einer Person ein Psychogramm des Nutzers zu erstellen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit treffsicher ist. Etwa in der Frage, ob die Person schwul ist, welche Hautfarbe sie hat und – in weiterer Folge – welche politische Präferenzen. Die Firma Cambridge Analytica soll Kosinskis Modelle dann herangezogen haben, um ihre Kampagnen für den Brexit und Trump darauf modellieren zu können.

"Passt ins Weltbild"

Doch mittlerweile häufen sich Zweifel daran, wie sehr der Geschichte tatsächlich zu trauen ist. "Es kann doch nicht sein, dass wir wochenlang über Fakenews diskutieren, um im Anschluss wie ein Schwarm den erstbesten Artikel zu teilen, (…) weil er perfekt ins Weltbild passt", schreibt WDR-Journalist Dennis Horn in seinem Blog. Auch der Spiegel äußert Kritik an dem Artikel des "Magazins", in dem etwa berichtet wird, dass auch Ted Cruz, Trumps Rivale bei den republikanischen Vorwahlen, das Tool benutzt habe.

Zweifel

"Tatsache ist, dass Ted Cruz dank der Hilfe von Cambridge Analytica aus dem Nichts zum schärfsten Konkurrenten Trumps in den Primaries aufstieg", heißt es in dem Artikel. Beobachter der US-Politiker wissen jedoch, dass Cruz schon seit Jahren als Präsidentschaftskandidat gehandelt wurde. Auch über die Rolle von Cambridge Analytica beim "Brexit" gibt es wenig Handfestes, ebenso wie bei Trumps Wahl müssen sich die Leser auf Aussagen der Firma selbst verlassen. Deren Chef behauptet absurdes, etwa "Psychogramme von allen erwachsenen US-Bürgern" zu haben – dabei sind gar nicht alle US-Bürger im Netz aktiv.

Facebooks Rolle durchaus groß

Übrigens soll Cruz die Zusammenarbeit mit Cambridge Analytica sogar beendet haben, weil ihn deren Ergebnisse nicht überzeugten. So spannend sich der Artikel des "Magazins" also liest, so stark darf er auch angezweifelt werden. Fakt ist, dass Facebook seit langem ein wichtiges Marketing-Tool ist. Der amtierende US-Präsident Barack Obama revolutionierte bei seinem ersten Wahlsieg vor acht Jahren das System des "Voter Targetings" in sozialen Medien. Mittlerweile zeigte auch der Bundespräsidentschaftswahlkampf in Österreich, welche Rolle Social Media spielt. Doch ob Wahlen tatsächlich durch zielgerichtete, dank Psychogrammen aus Facebook-Daten erstellte Kampagnen entschieden werden, darf bezweifelt werden – zumindest noch. (fsc, 5.12.2016)