Wenn man aus den Namen der beiden Parteien, die derzeit die Geschicke Österreichs bestimmen, auf ihre Arbeit schließen könnte, wäre unser Land im Moment wohl in bester Hand.

In der Realität sieht das aber leider etwas anders aus. Ich will mich bei meiner Beurteilung nicht auf eine Stufe mit jenen Politikern oder "Bildungsexperten" stellen, die Studien wie Pisa bewerten, ohne sie je gelesen zu haben. Eine Aussage sei in diesem Zusammenhang aber gestattet: Ein Land wie Österreich, das im Zeitraum von 1999 bis 2013 den Anteil der Ausgaben für das Schulwesen am BIP von 4,2 auf 3,2 Prozent gesenkt hat, kann nicht erwarten, in internationalen Studien zu den Gewinnern zu zählen.

Kerns Rechnung

Bundeskanzler Christian Kern stellte zu diesem Thema in seiner Ansprache beim Bundeskongress der GÖD am 11. Oktober 2016 Folgendes fest: "Es wird nicht gelingen, die Qualität bei wachsenden Aufgaben, aber gleichbleibenden Ressourcen zu erhalten oder zu steigern." Bei wachsenden Aufgaben werden ihm alle, die das österreichische Schulwesen von innen kennen, beipflichten, woher er die Information über "gleichbleibende Ressourcen" hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Zweifelhafte Segnungen

Das aktuelle Pisa-Ergebnis lässt in jedem Fall folgende Interpretation zu: Die bei Pisa 2015 getesteten 15-Jährigen gehören einem Jahrgang an, der eine vielen Reformen ausgesetzte Schule durchlebt (hat). Die um drei Jahre älteren, also die bei Pisa 2012 Getesteten haben noch nicht so viele schulpolitische "Segnungen" über sich ergehen lassen müssen.

Zurück zu den Regierungsparteien. Die größere der beiden bezeichnet sich als sozial und demokratisch. Für ihre Bildungssprecherin sind die Ergebnisse der aktuellen Pisa-Studie "aufrüttelnd" und "nicht länger hinnehmbar". In ihren weiteren Ausführungen wird dann der massive Ausbau von Ganztagsschulen als ein zentrales Element der notwendigen Reform bezeichnet, um die Kinder besser zu fördern. Das Tüpfelchen auf dem i ist aber folgende Aussage: "Der nächste Schritt muss die Schulautonomie sein: Motivierte Lehrer und Schwerpunktsetzungen an Schulen nach den Eignungen und Neigungen der Schüler sind gut für das Lernklima und die Unterrichtsqualität; und genau diese Qualität ist ein Schlüssel zum Lernerfolg – das zeigen auch die besten Pisa-Länder", lässt die SPÖ-Bildungssprecherin im Nationalrat Elisabeth Grossmann wissen. Von "Autonomie" zu sprechen, wo in Wahrheit Einsparungen und die Beseitigung gewachsener demokratischer Strukturen gemeint sind, ist einer demokratischen Repräsentantin unwürdig.

Soziale Mobilität

Großbritannien liegt hinsichtlich der sozialen Mobilität unterhalb südamerikanischer Länder wie Argentinien", sagt der Münchner Philosoph und ehemalige Kulturstaatsminister im Kabinett Schröder Julian Nida-Rümelin. Dass es sozial sein soll, mit einem Gesamtschulsystem jenen Kindern, die aus sozial schwachen Verhältnissen kommen, aus ideologischen Gründen die Chance zu nehmen, sich aufgrund ihrer Leistung nach oben zu arbeiten, verstehe, wer will. Was bleibt also von "demokratisch" und "sozial" übrig?

Ist das christlich?

Es ist aber auch nicht christlich, eine Politik mitzutragen, die es in letzter Konsequenz nur mehr den Betuchten ermöglicht, ihren Kindern eine gute Schulbildung zu ermöglichen: "Alle Gesamtschulsysteme haben andere Modi der Segregation entwickelt. Der einfachste und banalste, der übrigens im Moment massiv im Vormarsch ist – da gibt es eine wunderbare 16-Cities-Studie, die sechzehn Großstädte in mehreren Ländern vergleicht -, ist Trägerschaft: öffentlich, privat, frei", so der Wiener Bildungswissenschafter Stefan Hopmann in der Keynote-Rede "Bildungsreform 2015 – Fortschritt oder Rückschritt?" beim "Weis[s]en Salon" im Dezember 2015.

Damit sind wir bei der zweiten Regierungspartei, die sich manchmal auch christlich-sozial nennt. Ob sie den Namen "Volks"-Partei verdient, sei ebenso dahingestellt. Denn immerhin spielt sie bei allen Reformen des Schulsystems willfährig mit, auch wenn sie sich damit, wie etwa bei der verpflichtenden Ganztagsschule oder der Gesamtschule, eindeutig gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit des "Volkes" stellt.

Weniger Dogmen

Wenn sich Österreichs Parteien statt auf Dogmen mehr auf das Wohl der Bevölkerung konzentrierten, sähe ich der Zukunft unseres Landes und vor allem jener unserer Jugend mit größerem Optimismus entgegen. (Herbert Weiß, 13.12.2016)