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Rex Teter ist Republikaner in Texas, ...

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... John Bickel Demokrat auf Hawaii. Beiden Wahlmännern dürfte die Stimmabgabe am Montag nicht schwer fallen.

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Immerhin, einen Abtrünnigen gibt es bereits. Einer von 306 Wahlmännern, die eigentlich Donald Trump wählen müssten, hat in aller Öffentlichkeit Widerstand angekündigt.

"Man verlangt von mir, für jemanden zu stimmen, der täglich aufs Neue beweist, dass er nicht die nötige Qualifikation für das Amt besitzt", schrieb Chris Suprun schon vor zwei Wochen in einem Meinungsbeitrag für die "New York Times". Das könne er nicht, fügte er an. Im Übrigen sei noch längst nicht beschlossene Sache, dass der nächste Präsident Donald Trump heiße. Denn laut Verfassung seien die Wahlmänner allein ihrem Gewissen verpflichtet, argumentiert der Rettungssanitäter aus Texas. "Elektoren, die ihrem Gewissen folgen, können noch immer das Richtige für das Land tun."

Verhinderung wäre Wunder

Es wäre ein Wunder, sollte sich der Aufstand des Chris Suprun zu einer Revolte auswachsen, die einen Präsidenten Trump verhindert. Am Montag treffen sich überall in den USA die 538 Wahlmänner und -frauen, die darüber entscheiden, wer im Jänner ins Weiße Haus einzieht. Nach einer ungeschriebenen Regel sind sie daran gebunden, wie der Souverän am 8. November abgestimmt hat. Etwa die Hälfte der Bundesstaaten hat ihre Elektoren auch de jure dazu verpflichtet, jenem Bewerber die Stimme zu geben, der in ihrem jeweiligen Staat die Nase vorn hatte. Die anderen kennen keinen solchen Zwang, worauf Leute wie Suprun ihre Hoffnung auf einen Paukenschlag gründen.

Nicht von ungefähr berufen sich die Dissidenten auf Alexander Hamilton, einen der Gründerväter der Republik. Dessen Name ist in aller Munde, seit am New Yorker Broadway ein überaus populäres Musical, für manche das populärste aller Zeiten, seine Geschichte erzählt. Hamilton also hatte einst in den "Federalist Papers" erklärt, das Wahlmännergremium sei mit Bedacht als eine Art Filter entworfen worden, damit das höchste Staatsamt "niemals an einen Mann fällt, der nicht in eminentem Maße mit den erforderlichen Fähigkeiten ausgestattet ist".

Magische Marke 270

Beim Votum vor sechs Wochen hat Trump 306 Elektoren gewonnen, während Hillary Clinton auf 232 kam. Präsident wird, wer von mindestens 270 Mitgliedern des Electoral College gewählt wird. Ergo müssten 37 das Lager wechseln, um Trump zu stoppen, und sich entweder für Clinton oder einen dritten Kandidaten entscheiden. Etwa für den Republikaner John Kasich, dem etwa Suprun den Zuschlag geben wird. Sollte die Zahl der Abweichler groß genug sein, um Trump die magische Marke 270 verfehlen zu lassen, müsste das Repräsentantenhaus entscheiden. Angesichts der republikanischen Mehrheit in der Kammer wäre der Ausgang ziemlich klar, zumindest aber hätten die Rebellen ein Zeichen gesetzt.

Nüchtern betrachtet ist es wohl nur ein Sturm im Wasserglas. Das allerletzte Aufbäumen der Never-Trump-Bewegung, jener Republikaner, die bereits während der Vorwahlen immer verzweifelter versucht hatten, den Kandidaten Trump aufzuhalten. Dass die Debatte dennoch die Gemüter erregt, hat etwas mit Clintons klarem Plus beim Popular Vote zu tun: In der Summe erhielt sie 2,8 Millionen Stimmen mehr als ihr Widersacher – mehr als das Fünffache des Vorsprungs, den Al Gore im Jahr 2000 vor George W. Bush hatte.

Bei einer Direktwahl hätte sie unangefochten das Rennen gemacht. Kein Wunder, dass die enorme Diskrepanz zwischen Popular Vote und Elektorenstimmen einmal mehr den Ruf nach einer Reform des Wahlsystems laut werden lässt. Eines Systems, das der Filmemacher Michael Moore eine "obskure, schwachsinnige Idee aus dem 18. Jahrhundert" nennt. Eines Systems, das garantieren sollte, dass kleinere Bundes staaten ihr Mitspracherecht gegenüber größeren wahren.

Stimme nicht gleich Stimme

In der Praxis hat es dazu geführt, dass eine Stimme im dünn besiedelten Wyoming 3,6-mal stärker ins Gewicht fällt als eine im bevölkerungsreichen Kalifornien. Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es kaum eine Umfrage, in der sich die Amerikaner nicht mehrheitlich für eine Direktwahl ausgesprochen hätten. Passiert ist dennoch nichts, weil die bevölkerungsärmeren Staaten nicht daran denken, eine Regelung abzusegnen, die ihren Einfluss schmälern würde. Und da sich an dieser Konstellation nichts ändern wird, ist auf absehbare Zeit kaum mit Reformen zu rechnen. (Frank Herrmann aus Washington, 19.12.2016)