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Das Interview fand in Donald Trumps Büro statt

Foto: AP/Mary Altaffer

Washington/London – Der künftige US-Präsident Donald Trump sieht den bevorstehenden EU-Austritt Großbritanniens positiv und rechnet mit weiteren EU-Austritten. "Der Brexit wird sich letztlich als eine großartige Sache herausstellen", sagte Trump vor seiner Angelobung am Freitag in gemeinsamen Interviews mit Kai Diekmann von der der "Bild"-Zeitung und der Michael Gove von britischen "Times". Darin bezeichnete er die Nato als obsolet und stellte auch die Russland-Sanktionen in Frage.

"Sehen Sie sich die Europäische Union an, die ist Deutschland. Im Grunde genommen ist die Europäische Union ein Mittel zum Zweck für Deutschland. Deswegen fand ich, dass es so klug von Großbritannien war, auszutreten", sagte Trump. Er rechne damit, dass weitere EU-Staaten dem Vorbild Großbritanniens folgen werden. "Menschen, Länder wollen ihre eigene Identität, Großbritannien wollte seine eigene Identität. Die Leute wollen nicht, dass andere Leute in ihr Land kommen und es zerstören."

Abrüstungsvorschlag

Zu den westlichen Sanktionen gegen Russland sagte Trump, Russland leide darunter im Moment schwer. "Aber ich glaube, da könnte manches gehen, von dem viele Leute profitieren würden." Er wolle angesichts der Sanktionen der EU "mal sehen, ob wir ein paar gute Deals mit Russland machen können". Dies betreffe unter anderem eine mögliche Reduzierung des Atomwaffen-Arsenals.

Erst Ende Dezember hatte er verlangt, das US-Atomwaffenarsenal stark auszubauen. Aus Moskau kamen gemischte Reaktionen auf Trumps Abrüstungspläne: Die Sanktionen seien ein "dummes Vermächtnis" des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama, sagte der Vorsitzende des Außenpolitik-Ausschusses des russischen Föderationsrates, Konstantin Kosatschew, am Montag der Nachrichtenagentur Ria Novosti. Es lohne sich aber nicht, wegen der Strafmaßnahmen Zugeständnisse in Sicherheitsfragen zu machen.

Der Abgeordnete Oleg Morosow wurde hingegen mit den Worten zitiert, die Regierung in Moskau sei bereit, über eine Reduzierung des Atomwaffenarsenals zu verhandeln.

Flüchtlingskrise Grund für Brexit

Als Grund für das Brexit-Votum der Briten nannte Trump die Flüchtlingskrise. "Wenn sie nicht gezwungen worden wären, all diese Flüchtlinge aufzunehmen – so viele, mit all den Problemen, die das mit sich bringt – dann wäre es nicht zum Brexit gekommen", sagte er. Dies sei "der letzte Tropfen" gewesen, "der das Fass zum Überlaufen brachte".

Für die USA spiele es keine Rolle, ob die EU geschlossen oder zerrissen sei. "Ich habe nie geglaubt, dass das von Bedeutung ist", sagte Trump. "Schauen Sie, zum Teil wurde die Union gegründet, um die Vereinigten Staaten im Handel zu schlagen, nicht wahr? Also ist es mir ziemlich egal, ob sie getrennt und vereint ist, für mich spielt es keine Rolle."

Deal für Post-Brexit-Großbritannien

Großbritannien bietet Trump einen raschen Handelsvertrag "zum Wohle beider Seiten" an. Dieser könnte Premierministerin Theresa May als gewichtiges Argument bei den bevorstehenden Brexit-Verhandlungen mit der EU dienen.

Die Nachfolgerin David Camerons habe sich bereits um einen Termin bei ihm bemüht, er wolle sie unmittelbar nach seiner Angelobung empfangen.

Merkels "katastrophaler Fehler"

Die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nannte Trump einen "äußerst katastrophalen Fehler". "All' diese Illegalen ins Land zu lassen", sei ein "sehr schlimmer Fehler" gewesen, sagte Trump der "Bild"-Zeitung.

Von den Folgen habe Deutschland mit dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt mit zwölf Toten "einen deutlichen Eindruck" bekommen.

Trump bekräftigte auch seinen Plan, "extreme Sicherheitsüberprüfungen" bei der Einreise in die USA einführen zu wollen. Ob sich dies auch auf Einreisen aus EU-Staaten auswirken werde, werde man noch sehen.

Nato "obsolet"

Das nordatlantische Verteidigungsbündnis Nato bezeichnete Trump als "obsolet", weil sie "vor vielen, vielen Jahren entworfen wurde", die Länder nicht das zahlten, "was sie zahlen müssten" und "weil sie sich nicht um den Terrorismus gekümmert hat". Ihm persönlich sei die Nato "sehr wichtig", aber nur fünf der 28 Staaten würden in das Verteidigungsbündnis einzahlen, was sie müssten. Das sei "sehr unfair" gegenüber den USA.

Kritik an US-Außenpolitik

Trump kritisierte die russische Intervention in den syrischen Bürgerkrieg als "sehr schlechte Sache", die zu einer "schrecklichen humanitären Situation geführt" habe. Den Irak-Krieg bezeichnete er als möglicherweise schlechteste Entscheidung in der Geschichte der USA. "Wir haben da etwas entfesselt – das war, wie Steine in ein Bienennest zu schmeißen", sagte er zu dem von seinem Parteifreund George W. Bush und dessen europäischen Verbündeten im Jahr 2003 begonnenen Krieg. "Und nun ist es eines der größten Schlamassel aller Zeiten."

Er fügte hinzu, dass die Kampagne in Afghanistan schlecht laufe und die Versuche der Rückeroberung der irakischen Stadt Mosul sich zu einem "Desaster" entwickelt hätten".

Die Zukunft des Atomabkommens mit dem Iran ließ Trump offen. Er wolle sich nicht in die Karten schauen lassen. Er sagte aber erneut: "Es ist eines der schlechtesten Abkommen, die je getroffen worden sind. Es ist eines der dümmsten Abkommen, die ich je gesehen habe." Trump kündigte zugleich an, seinen Schwiergersohn Jared Kushner mit der Vermittlung eines Nahost-Friedensabkommens beauftragten zu wollen. (red, APA, 16.1.2017)