Christian Kern (li.) möchte schon am Dienstag die Selbstbehalte von Selbstständigen abschaffen. Mit Reinhold Mitterlehner wurde das im Vorfeld nicht abgesprochen.

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Wien – Nach den Reden der vergangenen Tage geht es am Dienstag auf Regierungsebene wieder um das operative Tagesgeschäft. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat bereits angekündigt, erste Vorschläge aus seinem "Plan A" angehen zu wollen.

In einem ersten Entwurf, der der ÖVP am Montag übermittelt wurde, wird die Abschaffung der Selbstbehalte für Selbstständige bereits im Ministerrat am Dienstag vorgeschlagen. Bei diesem Thema sind die Schwarzen aber für einen Schnellschuss nicht zu haben, wie ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner schon am Sonntag in der ORF-Sendung "Im Zentrum" klarmachte. Er verwies auf die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), da könne man nicht von heute auf morgen eingreifen.

Anreizsystem

Derzeit liegt der Selbstbehalt bei den Selbstständigen bei 20 Prozent. Wer mit der Kasse vereinbarte Gesundheitsziele erreicht, muss aber nur zehn Prozent zahlen, was von der SVA als Anreizsystem gesehen wird, mehr auf seine Gesundheit zu achten. Die Kosten für die Abschaffung werden von der SPÖ mit 54 Millionen Euro beziffert, die man durch die Auflösung von SVA-Rücklagen aufbringen will. Das lehnt die SVA aber ab.

Der stellvertretende Obmann der Kasse, Alexander Herzog, verwies darauf, dass sich die SVA-Mitglieder in einer Urbefragung mit einer klaren Mehrheit von 80 Prozent für die Selbstbehalte ausgesprochen hätten. Löse man die Rücklagen auf, drohten "schmerzhafte Maßnahmen".

Hilfe im Krankheitsfall

Ausbauen will die SPÖ zudem Hilfen für Kleinbetriebe, wenn deren Mitarbeiter erkranken. Bei Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten sollen die Kosten für die Entgeltfortzahlung zu 100 Prozent ersetzt werden (statt bisher zu 50 Prozent). Für Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern sollen die Kosten zu 75 Prozent ersetzt werden. Das würde 60 Millionen Euro kosten und soll ebenfalls durch die Auflösung von Rücklagen – bei der Unfallversicherung AUVA – finanziert werden.

Ähnlich wie die SVA ist auch die AUVA wenig begeistert von den SPÖ-Plänen. "Eine weitere finanzielle Belastung ist für die AUVA nicht tragbar und würde die medizinische Unfallversorgung in Österreich massiv gefährden", erklärte AUVA-Obmann Anton Ofner.

ÖVP sauer

Offiziell kommentieren wollte die ÖVP das SPÖ-Papier am Montag nicht. Hinter vorgehaltener Hand zeigte man sich aber sauer über die Vorgangsweise der Roten und sprach von einem "taktischen Manöver", das wohl nur gesetzt worden sei, um von der Schelling-Rede abzulenken. Hinterfragt wird von den Schwarzen nun, ob die SPÖ tatsächlich einen Neustart der Koalition wolle.

Arbeitszeit

Dabei hatte es bei einigen Themen zuletzt nach Bewegung ausgesehen – etwa bei der Arbeitszeitflexibilisierung. Ursprünglich wollte die SPÖ im Gegenzug für die Anhebung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden für Betriebe mit Gleitzeit einen leichteren Zugang zur sechsten Urlaubswoche.

Von diesem Junktim ist man mittlerweile abgerückt. Man besteht aber noch immer auf größere Freizeitblöcke – so steht es übrigens auch bereits im Regierungsprogramm aus dem Jahr 2013. Bis zur Überarbeitung des Koalitionspakts Anfang Februar will man das Thema gelöst haben. Allerdings sollen auch die Sozialpartner, an denen bisher eine Einigung scheiterte, noch einmal eingebunden werden, wie es in Regierungskreisen heißt.

ÖVP will Arbeitnehmerschutz überarbeiten

Mitterlehner wiederum macht Druck auf eine Reform des Arbeitnehmerschutzes. Die 306 Arbeitsinspektoren sollten "mit Augenmaß" handeln, die Rechtslage sei zum Teil veraltet, so das Büro des Vizekanzlers. Man hoffe, dass nun der Widerstand von Sozialminister, Gewerkschaft und Arbeiterkammer überwunden werden könne.

Auch Kern hatte hier Handlungsbedarf gesehen. Es sei absurd, wenn eine Putzfrau schriftlich bestätigen müsse, dass Putzmittel nicht zum Trinken gedacht seien, meinte Kern bei seiner Grundsatzrede in Wels letzte Woche. (go, 16.1.2017)