Soziologe Peter Winkler analysiert Online-Kommunikation.

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Filterblase statt Zeitung: Die Bandbreite an Themen nimmt ab.

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Wien – Der kanadische Theoretiker Marshall McLuhan hat in den 1960er-Jahren den berühmtem Satz "The medium is the message" geprägt. Er fasst zusammen, dass die Art der Darbringung maßgeblich darauf Einfluss hat, wie ein Inhalt vom Menschen wahrgenommen wird. Es ist demnach nicht egal, ob man eine Information als Druckwerk liest, im Radio hört oder im Fernsehen sieht. McLuhan glaubte, dass man weniger Inhalte zum Gegenstand der Forschung machen sollte, sondern das Medium selbst, in dem es präsentiert wird. Heute füllen Fake-News und Wahlkampf-Informationen, die gezielt via "Micro-Targeting" an den richtigen Empfänger gelangen, die individuellen Social-Media-Feeds. McLuhans Ansatz scheint auf neue, drastische Weise eine neue Bedeutung gewonnen zu haben.

"Nicht der Inhalt ist heute wichtig, sondern die Algorithmen dahinter", sagt auch Peter Winkler. Der Soziologe, der am Institut für Kommunikation, Marketing & Sales der FH Wien der WKW arbeitet, macht sich in Publikationen und Vorträgen über wirtschaftlich orientierte Online-Kommunikation Gedanken. 2015 erhielt der 1981 geborene Forscher für seine kritische Dissertation über "Eine PR der nächsten Gesellschaft" den deutschen Dissertationspreis im Bereich PR und Organisationskommunikation.

Macht der Algorithmen

Algorithmen bestimmen, was ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangt und was Peripherie bleibt, was relevant ist und was verschwindet, so Winkler. Sie ordnen uns personalisierte Informationen zu und schlagen vor, was uns interessieren könnte – oder sollte. Das Phänomen der Abgeschirmtheit gegenüber Informationen, die nicht dem eigenen Standpunkt entsprechen, wurde als "Filter-Bubble" bekannt.

Die Macht der Algorithmen, die die digitalen Inhalte organisieren, wird in Zukunft noch weiter gehen, sagt Winkler voraus. Mit einem semantischen Web, das anstelle von Schlagworten komplexe Anfragen verarbeiten kann, wird das Netz, das uns gezielt mit Informationen umgibt, noch dichter geknüpft. Dabei kommt es darauf an, welche Bedeutungen in der neuen Mechanik der Informationssysteme festgeschrieben werden. Winkler: "Die Algorithmen bestimmen, welche Begriffe miteinander assoziiert werden, in welchen Verhältnis ein Sachverhalt mit einem anderen steht." Naturwissenschaftliche Inhalte mögen auf diese Art exakt verknüpft werden können, in anderen Bereichen, etwa bei politischen Inhalten, sei das aber fatal.

"Hierarchien an anderer Stelle"

Oft wird im Zusammenhang mit neuen Medien, die jedem Teilnehmer eine Stimme verleihen, eine Auflösung von gesellschaftlichen oder auch unternehmerischen Hierarchien postuliert. Für Winkler geht diese Rechnung nicht auf: "Die Hierarchien kommen an anderer Stelle wieder durch. Algorithmen, die etwa den Einfluss messbar machen sollen, schaffen neue Machtpositionen. Für mich haben die sozialen Medien auch Anteil daran, dass es in Wahlkämpfen zu so starken Polarisierungen kommt."

Dass auch Unternehmen die neue Dynamik der Social-Media-Kommunikation oft erst auf die harte Tour erlernen, hat Winkler mit Kollegen in einer Arbeit nachvollzogen, die im vergangenen Herbst mit dem Best Paper Award 2016 der European Public Relations Education and Research Association ausgezeichnet wurde. Sie zeigt das Bild eines Pharmakonzerns, in dem engagierte Mitarbeiter auf eigene Faust eine positive und partizipative Twitter-Strategie aufbauen, nachdem die Geschäftsführung das Interesse daran verliert.

Die neuen Kommunikationsräume mit ihren digitalen Regelwerken machen nicht zwangsläufig informierter und wissender, so viel ist klar. Eine Gefahr besteht vor allem bei Heranwachsenden: "Viele junge Leute verwenden kaum systematisch Suchmaschinen, geschweige denn klassische Medien in ihrer Bandbreite. Sie haben keine Ahnung von verschiedenen Themen, weil sie in ihrer Filterblase einfach nicht vorkommen", so Winkler. Letztendlich sei stärkere Vermittlung von Medienkompetenz wichtig, damit nicht die "ganze Jugend hindurch ausschließlich Kommerzkäse einer Minisubkultur" den persönlichen Medienkonsum bestimme. (pum, 26.1.2017)