Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat seine Vorstellungen zur Überwachung weitgehend durchgesetzt.

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Christian Kern und Reinhold Mitterlehner stellen die wichtigsten Punkte des Sicherheitspakets vor.

derStandard.at

Es ist die Idealvorstellung eines jeden Innenministers: die Ermittler, die den Tätern immer einen Schritt voraus sind. Und gleichzeitig ist es die schlimmste Vorstellung für Verfassungshüter, die vor einer Überwachung und Einschränkung der Freiheit warnen. Dazwischen liegt das erneuerte Regierungsübereinkommen, das im Bereich Sicherheit und Terrorprävention Vorschläge bringt, die die Bevölkerung beruhigen sollen, aber gleichzeitig auch mit den sensiblen Grundrechten dieser spielt.

Gefährder sollen überwacht werden, heißt es im Kapitel "Ausbau der technischen Ermittlungsmöglichkeiten". Personen, die einer terroristischen Straftat verdächtigt werden, können auch nach derzeit geltendem Recht in Untersuchungshaft genommen werden. Das gilt insbesondere für Rückkehrer, also Personen, die im Ausland für eine terroristische Organisation wie den IS gekämpft haben. Doch nun geht die Regierung einen Schritt weiter: Bei Personen, durch die eine "abstrakte Gefährdung" gegeben ist, wird laut Regierungsprogramm "die elektronische Fußfessel als gelinderes Mittel" als U-Haft angestrebt. Gerichte sollen demnach darüber entscheiden, ob im Einzelfall diese abstrakte Gefährdung für die Maßnahme ausreicht.

Juristen bewerten dieses Vorgehen als höchst problematisch, da durch diese präventive Maßregelung, ihr Recht auf Freiheit beschnitten wird. So argumentiert auch Heinz Mayer, Verfassungsjurist an der Universität Wien. Er sieht vor allem Schwierigkeiten darin, eine Definition für Gefährder zu finden und fragt sich, nach welchen Kriterien das geschehen soll. "Das ist ganz, ganz schwierig. Dann müsste man Gesinnung über äußere Merkmale feststellen, das funktioniert nicht", erklärt der Jurist im STANDARD-Gespräch.

Er präzisiert, dass eine Fußfessel genauso eine Einschränkung der persönlichen Freiheit sei wie Untersuchungshaft. Bisher darf sie – ähnlich wie bei der U-Haft – nur angeordnet werden, wenn ein konkreter Verdacht besteht, dass jemand eine Straftat begangen hat oder begehen wird – die Verhältnismäßigkeit muss stimmen. "Es muss ein schwerwiegender Grund vorliegen, sonst gelten wir ja alle als Gefährder" , erklärt Mayer. Es ist mehr ein Symbol als eine Maßnahme, denn eine elektronische Fußfessel könne zwar die Fluchtgefahr eingrenzen, verringert aber nicht die Tatbegehungs- oder Verdunkelungsgefahr.

Misstrauischer Sobotka

Bundeskanzler Christian Kern entgegnete auf die Frage, warum er dieser ÖVP-Forderung nachgekommen sei, dass sich die Bedrohungslage verändert habe: "Daher haben wir die Verpflichtung, darauf zu reagieren". Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) dürfte sich dennoch dessen bewusst sein, dass sein Vorstoß heikel ist. Er zweifelt, dass alle roten Abgeordneten, dem Plan im Parlament zustimmen werden, und will daher auch das Plenum überwachen: Er fordert eine namentliche Abstimmung.

Bei diesem Vorhaben hat sich die Regierung einen knappen Zeitplan gesetzt, sie will bis März einen Erlass vorlegen und die Gesetze bis Juni angepasst haben.

Weiterausgebaut werden soll auch die Videoüberwachung. Videomaterial öffentlicher Betreiber, etwa der ÖBB, soll einer Mindestspeicherdauer unterliegen und muss auf Anordnung der Staatsanwaltschaft übergeben werden. Auch Echtzeitstreaming soll möglich sein. Bisher war eine Videoüberwachung bereits möglich, doch durch die Fülle des Materials konnte das vorhandene Wissen kaum verarbeitet werden. Wie das nun gelöst werden soll, steht noch nicht fest.

Ein weiterer ÖVP-Vorschlag wurde in das Regierungsprogramm aufgenommen, nämlich die Registrierung von Prepaid-Karten für Handys. Beim Kauf einer solchen Karte muss künftig ein Ausweis vorgelegt werden. Außerdem plant die Regierung ein elektronisches Autokennzeichenerfassungssystem an Grenzübergängen. (Marie-Theres Egyed, 30.1.2017)