Die Zahl der Älteren, die seht mehr als einem Jahr keinen Job haben, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das sei ein enormes soziales Problem, so Herbert Walther.

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Mit dem Mindestlohn müsse man derzeit, wo die Lage am Arbeitsmarkt sehr angespannt sei, aufpassen, sagt der Ökonom.

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Wien – Dass die Regierung der Langzeitarbeitslosigkeit den Kampf ansage, sei sinnvoll und sozial sehr notwendig, sagt der Ökonom Herbert Walther im STANDARD-Interview. Die Koalition hat am Montag angekündigt, 20.000 gemeinnützige Jobs für ältere Menschen fördern zu wollen. Ob man so viele staatlich unterstützte Jobs schaffen könne, ohne Arbeitsplätze am freien Markt zu gefährden, sei aber fraglich. Die Senkung der Lohnnebenkosten werde nicht allzu viele Jobs bringen, ein Mindestlohn von 1.500 Euro könnte sogar welche kosten. Walther war bis 2015 Chef des Instituts für Arbeitsmarktpolitik der Wiener Wirtschaftsuni.

STANDARD: Ab Juli müssen Firmen für neue Mitarbeiter drei Jahre lang nur mehr die Hälfte der Lohnnebenkosten bezahlen. Bringt das zusätzliche Jobs?

Walther: Ich bin da ein bisschen skeptisch. Es ist eine nette Geste für Betriebe, man fördert damit aber viele, die die Leute sowieso eingestellt hätten. Diese Prämie dürfte für die Frage "Einstellen oder nicht" nicht entscheidend sein. Außerdem schafft es zusätzlichen administrativen Aufwand. Besser wäre es, wenn man zum Beispiel Menschen mit niedrigen Einkommen bei den Sozialabgaben entlastet. Das wäre wirksamer.

STANDARD: Für über 50-jährige Langzeitarbeitslose sollen 20.000 Jobs bei gemeinnützigen Firmen und Vereinen gefördert werden. Ist das sinnvoll?

Walther: Das halte ich für ein vernünftiges Programm. Die Probleme liegen aber im Detail. Schafft man es, Jobs zu fördern, die keine Arbeit im privaten Sektor verdrängen? In Wien kann ich mir vorstellen, dass mit Graffitis verschandelte Gebäude gereinigt werden. Das machen weder die Stadt noch die Hausbesitzer. Es gibt auch viele Gemeinden, die zum Beispiel Hilfe bei der Pflege von Friedhöfen brauchen. Es gibt aber wenige solche Bereiche, wo man keine anderen Jobs mit der Förderung verdrängt. Es ist aber eine gute Sache, weil die älteren Langzeitarbeitslosen ein enormes soziales Problem sind.

STANDARD: Die Regierung will außerdem in Brüssel dafür eintreten, dass EU-Ausländer in Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit nur mehr dann einen Job bekommen, wenn sich kein Österreicher findet.

Walther: Auch wenn man noch so sehr lobbyiert, kann ich mir nicht vorstellen, dass das durchgeht. Die Osteuropäer, die davon hauptsächlich betroffen wären, werden da nicht mitmachen. Es ist also nur eine Marketing-Ausnahme, etwas für die Auslage. De facto wissen wir ja aus vielen Studien, dass Ausländer am Arbeitsmarkt sowieso schon diskriminiert werden. Einheimische haben sowieso schon bessere Chancen. Das weiter zu verschärfen lehne ich ab.

STANDARD: Der Kombilohn, ein befristeter Zuschuss, wenn Arbeitslose einen Job annehmen, soll auch für Menschen gelten, bei denen der Arbeitsplatz weit vom Wohnort entfernt ist. Das soll Arbeitslose zum Beispiel aus Wien nach Salzburg bringen.

Walther: Solche Beihilfen haben wir schon, die sind nicht so rasend erfolgreich. Das Problem im Fremdenverkehr ist sehr viel komplexer. Die Arbeitsbedingungen sind familienfeindlich, die Gastronomie und Hotellerie macht zu wenig, um Leute von den Schulen anzuwerben. Mehr Druck auf arbeitslose Kellner in Wien braucht es nicht.

STANDARD: Die Sozialpartner müssen sich bis Juni auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten einigen. Sonst macht es die Regierung. Braucht es flexiblere Arbeitszeiten?

Walther: An sich haben wir schon sehr viel flexibilisiert, die Höchstarbeitszeiten wurden geändert, Branchen wie die Gastronomie sind schon sehr flexibel. Da darf man etwa zwölf Stunden am Tag arbeiten. Ich sehe da keinen großen Handlungsbedarf. Im Industriebereich kann ich mir aber schon vorstellen, dass man Jüngeren zum Beispiel erlaubt, vier Tage länger zu arbeiten und einen Tag frei zu haben.

STANDARD: Bis Juni müssen Wirtschaft und Gewerkschaften eine Einigung auf 1.500 Euro Mindestlohn in allen Kollektivverträgen erzielen. Sonst kommt ein Gesetz.

Walther: Es ist sinnvoll, das den Sozialpartnern zu überlassen. Die kennen die einzelnen Branchen besser als Politiker. Angesichts der Arbeitsmarktlage in Österreich würde ich da außerdem ein bisschen vorsichtiger sein. 1.500 Euro ist vielleicht etwas hoch für Menschen mit sehr niedriger Qualifikation. (Andreas Sator, 31.1.2017)