Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zu Besuch bei Katia Wagner.

Foto: Screenshot / ORF TVThek

Was die Unterschriften der Regierungsmitglieder unter dem letzten Pakt der Koalitionäre wert sind, werden wir bald sehen, und was den Innenminister betrifft, sehen wir es auch schon. Der "trend" wollte es aber aus wissenschaftlich-verlässlicher Quelle wissen und heuerte Grafologinnen an, um herauszufinden, ob der Regierungspakt halten kann. Obwohl die Unterschrift nur einen kleinen Teil des Schriftbildes darlegt und aufgrund ihrer Rechtsverbindlichkeit eine Sonderstellung einnimmt, konnten die Damen nicht widerstehen und machten sich ans Werk.

Was sie an charakterlichen Erkenntnissen zutage förderten, schien eher dem öffentlichen Wirken der Ministerinnen und Minister entnommen und an das Gekritzel angepasst als umgekehrt, was sich aber wegen des Ausbleibens jeglicher Enthüllung als belanglos herausstellte. Verblüfft es irgendjemanden, über Hans Jörg Schelling zu erfahren, er sei kein flexibler Verhandler, jedoch eine verantwortungsbewusste Persönlichkeit, die ihre Aufgaben ernst nimmt? Oder über Harald Mahrer, erheblicher Ehrgeiz und Tätigkeitsdrang sind der Unterschrift zu entnehmen. Es bleibt dahingestellt, ob er sich immer festlegen will und kann, was gleichermaßen für die Grafologinnen gelten dürfte.

Nur bei Reinhold Mitterlehner war es anders. Wie auch beim Kanzler stehen hier Ehrgeiz und Leistungsstreben, gepaart mit innerer Kraft und guter Spannung. In der Sache vorankommen ist auch hier das Ziel. Daneben lässt der Vizekanzler auch eine gefühlvolle Note erkennen. Das konnte er nur wenige Tage später beweisen. Kam er bisher in der Sache Sobotka nicht voran, auch wenn es hier das Ziel sein mag, so kam seine gefühlvolle Note Mittwoch in einem Wiener Schönheitssalon ("Kronen Zeitung"), beziehungsweise Waxing-Studio ("Österreich") voll zum Tragen.

"Minister-Waxing"

Schließlich, so die "Krone", sorgte Beauty-Bar-Chefin Katia Wagner europaweit für Schlagzeilen, weil das Arbeitsinspektorat Sichtfenster beim Intim-Waxing vorschrieb, und wie oft kann ein österreichischer Vizekanzler schon von einer europaweiten Schlagzeile profitieren? Während die Kameras auf den Vizekanzler gerichtet waren und alle auf einen Schnappschuss vom aber nicht stattfindenden "Minister-Waxing" warteten - Pardon, "Krone"-Deutsch -, zollte Jungunternehmerin Katia Wagner dem Erscheinen des Top-Politikers größten Respekt, statt den Erschienenen vor das Sichtfenster zu setzen und ihm ein ordentliches Intim-Waxing zu verpassen.

Käme zu den grafologisch attestierten Ehrgeiz und Leistungsstreben, gepaart mit innerer Kraft und guter Spannung noch ein öffentlich ausgeführtes Intim-Waxing – Mitterlehner unschlagbar, zumal in einer christlichen Partei. Der HERR gibt's, das Waxing-Studio nimmt's, da hat das Arbeitsinspektorat nichts dreinzureden. Es sollte sich vielmehr dem treffenden Vergleich unterwerfen, mit dem sich Mitterlehner laut "Österreich" intim und auch sonst ungewaxt empfahl: Es gebe "ja auch bei OP-Sälen nicht unbedingt Sichtverbindungen ins Freie".

Mitterlehners wohlgemeinter Versuch, am Beispiel der Körperentrümpelung der bürokratischen Entrümpelung des Arbeitnehmerschutzes Bahn zu brechen, ließ Michael Jeannée fassungslos zurück. Der Koalitionshut brennt schon wieder gefährlich – das mit den Roten ausgehandelte neue Arbeitsprogramm zeigt mit dem Plan Ihres knallharten Innenministers Sobotka, das Demonstrationsrecht scharf zu novellieren, erste Risse und Sie, Sie finden die Zeit, sich im Blitzlichtgewitter dankbarer Fotografen um die Details der Arbeitsbedingungen beim Rasieren von Damen an bekannt-pikanter Stelle zu kümmern. Reinhold "Intim-Django" Mitterlehner! Bleibt mir nur noch, aus tiefster Überzeugung zu formulieren: Sebastian Kurz, bitte übernehmen Sie. Und das sobald wie möglich.

Das war ungerecht. Es spricht für die soziale Einstellung des Vizekanzlers, dass er sich wenigstens um die Details der Arbeitsbedingungen beim Rasieren von Damen an bekannt-pikanter Stelle kümmert, während sein knallharter Innenminister beim Rasieren der Verfassung an bekannt-pikanter Stelle des Demonstrationsrechts sich nicht mit Waxing zufriedengeben will.

Alle Welt regt sich über Trump auf, nur einer tut etwas. Arnie will Trump verprügeln, meldete "Österreich". Nicht nur verprügeln, er will ihn gegen den Tisch schlagen, genauer Trumps Gesicht "gegen die Tischplatte dreschen." Steirern ist Menschlichkeit nun einmal nicht auszutreiben. (Günter Traxler, 12.2.2017)