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Ted Malloch, der als US-Botschafter in der EU im Gespräch ist, sieht das Ende des Euro kommen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion müsse auch die EU "etwas gezähmt werden". Im Bild Trump und Merkel als Wachsfiguren im Museum Grevin in Paris.

Foto: REUTERS/Philippe Wojazer

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den USA haben sich nach nicht einmal einem Monat der Trump-Amtszeit bereits massiv verschlechtert, wobei dies wohl erst der Anfang einer spannungsgeladenen Beziehungszeit gewesen sein dürfte. Donald Trump hat sich positiv zum Brexit geäußert. Ted Malloch, der als US-Botschafter in der EU im Gespräch ist, prognostiziert, dass der Euro die nächsten 18 Monate nicht überleben wird. Nach dem Zerfall der Sowjetunion müsse nun möglicherweise auch die EU "etwas gezähmt werden". Und Peter Navarro, der einflussreiche wirtschaftspolitische Berater Trumps, bezeichnete Deutschland als Währungsmanipulator, der einen unterbewerteten Euro nutze, um durch Rekord-Exportüberschüsse seine Arbeitslosigkeit zu exportieren.

Deutschland und die Eurokrise

Die Krise ist tatsächlich nicht überwunden. Im Euroraum sind weiterhin rund 15,6 Millionen Menschen arbeitslos; dies entspricht einer Arbeitslosenquote von 9,6 Prozent. In der EU-28 sind aktuell 20,1 Millionen als arbeitslos erfasst (8,2 Prozent Arbeitslosenquote). Die verfehlte Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre hat in weiten Teilen Europas eine anhaltende wirtschaftliche Misere verursacht, die – verstärkt durch die Konflikte rund um die europäische Flüchtlings- und Integrationspolitik ab dem Sommer 2015 – auch innerhalb der Eurozone tiefe politische Gräben aufgerissen hat. An dieser unheilvollen Entwicklung hat Deutschland, das wirtschaftlich und politisch mit Abstand mächtigste europäische Land, erheblichen Anteil.

Trump-Berater Navarro liegt mit dem Vorwurf der Währungsmanipulation insofern falsch, als Deutschland den nominellen Wechselkurs des Euro selbstverständlich nicht manipuliert hat. Aber Deutschland betreibt zum einen seit Anfang der 2000er-Jahre eine Politik der Lohnzurückhaltung – die Löhne steigen weniger stark als die Produktivität –, was der deutschen Industrie gegenüber Unternehmen in anderen europäischen Ländern Exportmarktvorteile verschafft. Zum anderen drängt Deutschland seit 2010 auf eine harte Sparpolitik für den Euroraum als Ganzes; die staatlichen Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen haben in den Jahren 2011 bis 2013 zu einer zweiten Rezession geführt. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt seitdem aggressive geldpolitische Maßnahmen ein (Stichwort Quantitative Easing), um die schwächelnde Eurozonenwirtschaft zu stützen. Die Niedrigzinspolitik hat dazu beigetragen, dass der Euro gegenüber dem Dollar markant abgewertet hat.

Deutsche leben unter ihren Verhältnissen

Der schwache Euro hat wiederum Deutschland dabei geholfen, seine hohen Exportüberschüsse zu verstetigen. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss betrug 2016 rund neun Prozent der Wirtschaftsleistung. Dieser Überschuss ist nicht allein auf eine starke Export-Performance zurückzuführen, sondern verweist auf ein "Importdefizit". Die Importe sind aufgrund von schwacher inländischer Nachfrage zu gering: Die deutsche Gesellschaft lebt weit unter ihren Verhältnissen. Die Lohnzurückhaltungs- und Sozialkürzungspolitik während der 2000er-Jahre hat dazu wesentlich beigetragen.

Zudem wirken die hohen Überschüsse Deutschlands im europäischen und globalen Kontext destabilisierend: Die Überschüsse der einen bedeuten, dass andere Länder zwingend Leistungsbilanzdefizite ausweisen müssen, die mit steigender Auslandsverschuldung und damit auch mit höherer Krisenanfälligkeit bei Turbulenzen an den Finanzmärkten einhergehen. Deutschlands Leistungsbilanzüberschüsse verstoßen übrigens seit längerem gegen geltende EU-Regeln: Das "Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten" regelt, dass der durchschnittliche Leistungsbilanzsaldo der letzten drei Jahre sechs Prozent der Wirtschaftsleistung nicht übersteigen darf. Deutschland entzieht sich jedoch mithilfe seiner Ausnahmestellung einer Sanktionierung durch die Kommission.

Deutschland, der IWF und Griechenland

Im Falle Griechenlands pocht die deutsche Regierung hingegen darauf, dass "die Regeln" penibel einzuhalten seien. Es scheint fast so, als könnten dem deutschen Finanzminister Schäuble die Auflagen an die griechische Regierung gar nicht strikt und umfassend genug sein. Dabei ignoriert Schäuble völlig, dass die griechische Wirtschaftsleistung als Folge der Austeritätspolitik gegenüber der Vorkrisenzeit um mehr als ein Viertel eingebrochen ist, während die Arbeitslosenquote weiterhin bei 23 Prozent steht und die Jugendarbeitslosigkeit 50 Prozent beträgt.

Schäuble wird nicht müde zu betonen, dass es keinen Schuldenschnitt für Griechenland geben dürfe. Dabei hat selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) kürzlich neuerlich in einem Bericht festgehalten, dass die griechischen Staatsschulden ohne Gläubigerschnitt nicht abzahlbar sein werden. Der IWF gesteht zudem ein, dass die Sparpolitik der letzten Jahre in Griechenland weit über das Ziel hinausgeschossen ist. Die einseitigen Lohn- und Ausgabenkürzungen hatten nicht nur ausgeprägt negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen; sie waren auch kontraproduktiv, weil sie die Schuldensituation weiter verschlechterten, indem die Staatsschuldenquote, die in Relation zur (eingebrochenen) Wirtschaftsleistung gemessen wird, weiter anstieg.

Symbol Griechenland

Griechenland ist symbolisch wichtig – als jenes Land, das die Mängel der europäischen Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren am klarsten offengelegt hat: das Priorisieren von Banken- und Gläubigerinteressen gegenüber den Interessen breiter Bevölkerungsschichten; und das Festhalten an einem offenkundig nicht erfolgsbringenden wirtschaftspolitischen Kurs, der noch dazu das Demokratiedefizit in Europa verschärft. Denn die Regierungen und nationalen Parlamente in den krisengeschüttelten Ländern werden von Europäischer Kommission, EZB und IWF mit mehr oder weniger sanftem Druck auf die maßgeblich von Deutschland bestimmte wirtschaftspolitische Linie gebracht.

Trump'sche Rhetorik als Chance

Trump ist ein Problem für Europa; er stärkt jene Kräfte, die einen Keil zwischen die Länder Europas treiben wollen. Insoweit die Trump'sche Rhetorik, die sich besonders gegen Deutschland richtet, die Einsicht in die Notwendigkeit eines wirtschaftspolitischen Kurswechsels fördert, stellt sie jedoch auch eine Gelegenheit dar, um die Wirtschafts- und Sozialkrise im Euroraum zu überwinden.

Erstens müsste die kontraproduktiv harte Haltung gegenüber Griechenland und anderen krisengeplagten Ländern aufgegeben werden. Diese Länder brauchen mehr wirtschaftspolitischen Spielraum, um aus der Krise herauskommen zu können; denn die fortgesetzte wirtschaftliche Krise stellt sie auf die politische und soziale Zerreißprobe, was die Desintegration fördert.

Zweitens müsste Deutschland – gefolgt von anderen Überschussländern wie Österreich und den Niederlanden – seine öffentlichen Investitionen kräftig ausweiten und höhere Lohnabschlüsse zulassen, um durch eine höhere Inlandsnachfrage und mehr Importe die Beseitigung der Ungleichgewichte im Euroraum zu beschleunigen.

Drittens bräuchte es einen "New Deal" in der europäischen Industriepolitik für die Peripherie: Indem beispielsweise die Europäische Investitionsbank Anleihen begibt, die von der EZB aufgekauft werden, könnten Investitionsprogramme direkt in Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Frankreich forciert werden – mit dem Ziel, die Massenarbeitslosigkeit abzubauen und zu einer Angleichung des Wohlstands auch innerhalb der Eurozone beizutragen. (Philipp Heimberger, 15.2.2017)