253 Millionen Überstunden leisten die Österreicher im Jahr, 52 Millionen davon unbezahlt.

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Über die Arbeitszeitflexibilisierung wird nun heftiger gerungen. Das wäre auch ein Anlass, über die steuerliche Begünstigung der Überstunden zu diskutieren. Experten halten das Instrument überwiegend für einen falschen Anreiz, nämlich mehr zu arbeiten und damit den Arbeitsmarkt zu strapazieren. Die Ausnahme stand in den letzten Jahren deshalb immer wieder auf der Abschlussliste, war aber nicht umzubringen. Wie so oft, wenn sich die Politik vor einem Aufschrei der Betroffenen fürchtet.

Streichung der Begünstigung

Besonders skurril: Im Vorfeld der mit 2016 in Kraft getretenen Entlastung hatte sich auch die eingesetzte Steuerreformkommission für die Streichung der Begünstigung ausgesprochen. In dem Gremium saßen durchwegs rote und schwarze Parteigänger wie der mittlerweile pensionierte Arbeiterkammerdirektor Werner Muhm oder der damalige Vorsitzende des Finanzausschusses im Parlament, Andreas Zakostelsky (ÖVP). Einschnitte blieben dennoch aus. Auch im Reformkonzept der Kammer der Wirtschaftstreuhänder wird eine Streichung befürwortet: "Warum der Steuergesetzgeber das Leisten von Überstunden letztlich durch Steuerfreistellung fördern muss oder soll, ist unerklärlich", zumal die Mehrarbeit in Form von Zuschlägen ohnehin abgegolten werde.

253 Millionen Überstunden leisten die Österreicher im Jahr, 52 Millionen davon unbezahlt. Das sei schon aus arbeitsmarktpolitischen Gründen "kontraproduktiv", sagt Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller. Dazu kämen gesundheitspolitische und Gender-Argumente, die gegen die Begünstigung sprächen. Denn: Überstunden werden hauptsächlich von Männern geleistet. Auch Schratzenstaller rät, derart sensible Bestimmungen "in einen größeren Kontext wie die Arbeitszeit einzubinden". Wenn man einzelne Ausnahmen isoliert behandle, "kommt man nicht weiter".

250 Millionen Budgetausfall

Auch fiskalische Gründe würden eine Abschaffung der Ausnahmeregelung rechtfertigen, so Schratzenstaller. 250 Millionen Euro würden dann ins Budget fließen. Wobei die Expertin betont, dass der Zufluss für andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie die Senkung der Lohnnebenkosten herangezogen werden sollte.

Die Eckpfeiler der Begünstigung: Zuschläge für die ersten zehn Überstunden im Monat sind steuerfrei. Allerdings wird diese Regelung deutlich eingeschränkt, indem höchstens 86 Euro im Monat aus diesem Titel abzugsfrei vereinnahmt werden können. Bis 2009 waren es noch höchstens fünf Stunden, doch in einer besonders denkwürdigen Nationalratssitzung kurz vor den Wahlen am 24. September 2008 wurde ein ganzes Paket an teuren Erleichterungen (13. Familienbeihilfe, Verlängerung der Hacklerregelung, Abschaffung der Studiengebühren usw.) geschnürt.

Das Finanzministerium hat im Förderungsbericht zu den Überstunden keinen Einzelwert ausgewiesen. Gemeinsam mit der Begünstigung für Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit wird ein Steuerausfall von 930 Millionen Euro ermittelt. (as, 21.2.2017)