Kann's nicht lassen: Innenminister Sobotka ließ sich am Donnerstagvormittag vor eineinhalb Dutzend Journalisten über Kerns SPÖ aus – er sieht darin reine "Tatsachenfeststellungen".

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Wien – Im Koalitionsstreit um das EU-Umsiedelungsprogramm legte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) Donnerstagvormittag bei einem Hintergrundgespräch nach: Aus reinem Kalkül poche die SPÖ nun auf einen Ausstieg, erklärte er – und vertrete damit nichts anderes als die Position der ÖVP seit dem Jahr 2015. Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern habe einen "überhasteten Brief" an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geschrieben – und das ohne vorherige Absprache mit Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, Außenminister Sebastian Kurz oder ihm selbst. Sobotkas Fazit: Das alles sei inszenierungstechnisch "ein großes Kino".

Der taktische rote Schwenk ändere aber nichts an der rechtlichen Situation, der er sich als Innenminister verpflichtet fühle. Denn Österreich habe sich im EU-Relocation-Programm verpflichtet, bis zum 26. September knapp 2.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Für die ersten fünfzig – konkret minderjährige unbegleitete Asylwerber aus Italien – wird Sobotka zwar nun die Antwort der EU-Kommission auf Kerns Brief abwarten. Doch die Zeit drängt – und die erste Reaktion aus Brüssel habe in Richtung Ablehnung des Wunsches Österreichs nach einem Ausstieg tendiert.

Lächerliches Österreich

Deswegen bereite sich er, Sobotka, auf den Start der Übersiedelung vor, dabei gehe es um ein aufwendiges Verfahren, weil unter anderem festgestellt werden müsse, ob die jungen Asylwerber eine gute Bleibeaussicht haben, ob ihre Identitäten gesichert sind und ob sie bisher deliktsauffällig wurden.

Dazu erinnerte der Innenminister daran, dass seine Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), mittlerweile designierte Landeshauptfrau in Niederösterreich, angesichts des Flüchtlingsandrangs im Jahr 2015 eine Umverteilung aus Österreich und einen kompletten Aufschub erwirken wollte – doch beides sei von der SPÖ damals abgelehnt worden. Nun aber sei der Beschluss verbindlich – und eine Ausnahme beim Relocation-Programm nur in einer Notlage möglich.

Doch selbst das Inkraftsetzen der Asyl-Sonderverordnung sei vom Regierungspartner SPÖ bisher abgelehnt worden, auch das Fremdenrechtspaket immer noch nicht freigegeben. Dazu habe Kern, den Sobotka "an die rechte Seite" von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) rücken sieht, im EU-Rat dreimal das Relocation-Programm quasi abgenickt, keinerlei Protest dagegen sei im Protokoll in einer Fußnote überliefert. Mit der Kursänderung mache sich Österreich in der Union nun "lächerlich".

Derzeit ist die ÖVP übrigens nicht für eine Aussiedelung von Flüchtlingen aus Österreich in andere EU-Länder – und diese Position sei an die Realität angepasst. Im Wahlkampfmodus sieht Sobotka die Koalitionsparteien nicht. Denn bei seinen Äußerungen handle es sich ja nur um "Tatsachenfeststellungen". (Nina Weißensteiner, 30.3.2017)