Wien (APA) – Medienminister und SPÖ-Regierungskoordinator Thomas Drozda nennt die kolportieren Pläne für ein angebliches ORF-Volksbegehren von SPÖ, ÖVP und FPÖ absurd. "Ich kenne niemanden in der SPÖ, der Derartiges plant, und ich weiß auch vom Mediensprecher der ÖVP, dass dort nichts dergleichen geplant ist. Ich verstehe nicht, wo das herkommt", sagte Drozda im APA-Interview.

Grantiger Pröll

Die "Oberösterreichischen Nachrichten" berichteten am Wochenende über entsprechende Überlegungen bei SPÖ, ÖVP und FPÖ. Sie und andere Medien verorteten die mögliche Herkunft der Initiative in Niederösterreich. DER STANDARD berichtete, es gebe keine konkreten Pläne in der Koalition für ein solches Volksbegehren.

Der scheidende Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) sagte zuletzt dem ORF Ansätze von "gelenktem Journalismus" nach und meinte, wenn das so weitergehe, müsse man "auch mit anderen demokratischen Möglichkeiten im ORF nach dem Rechten sehen". Anlass für die Kritik Prölls war ein "ZiB 2"-Interview mit Armin Wolf bezüglich der Privatstiftung Prölls, das in einem verbalen Schlagabtausch geendet hatte.

Volksbegehren aus Unmut über Wolf "undenkbar"

"Ich bin einigermaßen verwundert, dass Interviews mit scheidenden Landeshauptleuten zur Diskussion über Volksbegehren führen. Ich habe nicht vor, mich an so einer Diskussion zu beteiligen", erklärte Drozda. "Wer einmal bei Herrn Wolf gesessen ist, weiß, wie er seine Interviews führt", so der Minister.

Und: "Dass die drei größten Parteien des Landes ein Volksbegehren initiieren, ausgehend von Unmutskundgebungen über einzelne Sendungen oder einzelne Journalisten, halte ich für undenkbar. Das Volksbegehren ist ja ein direktdemokratisches Instrument, das man in der Regel aus einer zivilgesellschaftlichen Initiative oder aus einem oppositionellen Habitus heraus macht. Dass zwei Regierungsparteien und die größten Oppositionspartei ein Volksbegehren in einer Frage machen, die sie in Wahrheit selbst lösen könnten, wäre ja absurd."

Reformbedarf im ORF

Dabei sieht Drozda sehr wohl Reformbedarf im ORF. Den will der Medienminister aber im Rahmen einer ORF-Enquete diskutieren, die angesetzt werden soll, sobald eine Einigung in Sachen Presseförderung vorliegt. Drozda will dabei mit Experten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Senders, über die Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags sowie über die künftige Führungs- und Gremienstruktur des ORF reden.

Dass zwei Regierungsparteien und die größten Oppositionspartei ein Volksbegehren in einer Frage machen, die sie in Wahrheit selbst lösen könnten, wäre ja absurd": Medienminister Thomas Drozda (links), hier mit ORF-General Alexander Wrabetz. Seine Pläne zur Presseförderung:
Foto: APA / Roland Schlager

Presseförderung: Kollektivvertrag keine Grundbedingung

In Sachen Presseförderung hofft Drozda auf eine Einigung vor dem Sommer. Die Presseförderung soll von derzeit rund 8,5 auf 17 Millionen Euro aufgestockt und zum großen Teil in eine Förderung pro Journalist umgewandelt werden. Diskutiert wurde dabei zuletzt die Frage, ob der Journalisten-KV eine Grundbedingung für die Vergabe sein soll oder nur ein weiterer Anreiz für den Bezug zusätzlicher Fördermittel über einen Sockelbetrag hinaus. Dies entscheidet letztlich darüber, ob auch Gratiszeitungen wie "Heute" oder "Österreich", die nach anderen Kollektivverträgen entlohnen, Presse- bzw. Journalistenförderung beziehen können.

Drozda möchte die neue Presseförderung plattformneutral und EU-rechtlich haltbar aufstellen. "Unser derzeitiges System ist noch aus der Zeit vor dem EU-Beitritt, ist anachronistisch und schafft auch falsche Anreize. Die Zukunft der Branche liegt laut allen Expertenmeinungen zum überwiegenden Anteil im Digitalen. Wenn man Digital fördern möchte, wird man sehr wenige Digitalmedien finden, die den Journalisten-Kollektivvertrag anwenden. Das kann man als Sozialdemokrat nicht gut finden, aber es ist ein Faktum. Wenn ich die Entwicklung im Digitalen fördern will, dann kann ich den Großteil der digitalen Medien nicht ausschließen."

Basisförderung für alle

Der Medienminister plant eine Basisförderung für alle Medien, also auch Gratiszeitungen. Gegen die Förderung von Gratiszeitungen kam aus der ÖVP zuletzt einiger Widerstand.

Darüber hinaus soll es laut Drozda zusätzliche Mittel für die Anwendung des Journalisten-Kollektivvertrags, die Mitgliedschaft im Presserat, ein vorhandenes Redaktionsstatut oder die Moderation von Onlineforen geben. "Es geht mir darum, dass sich der digitale Sektor entwickeln kann und wir den Umstieg und die Transformation fördern. Da kann ich aber nicht darauf abstellen, dass ich Kollektivverträge verlange, die es nicht oder noch nicht gibt." Über die Finanzierung ist Drozda derzeit im Gespräch mit Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP).

Heftige Kritik an Förderplänen und Förderung

STANDARD-Herausgeber Oscar Bronner kritisierte die Pläne für die neue Medienförderung zuletzt scharf als "Boulevardförderung" – seinen "Brief an die Leser" finden sie hier. Der aus Österreich stammende Konzernchef der "Neuen Zürcher Zeitung", Veit Dengler, kritisierte die österreichische Presseförderung zuletzt insgesamt in der "Presse".

Regierungsinserate, neuer Anlauf

Der SPÖ-Minister will nach eigenem Bekunden auch die Inseratenaufträge der Regierung neu regeln. Er werde der ÖVP neuerlich vorschlagen, die Inserate der verschiedenen Ministerien zentral zu akkordieren und zu koordinieren: "Wir sollten über die Einzelaktivitäten der Ressorts zu einem Gesamtauftritt der Bundesregierung kommen, um konkrete Schwerpunkte zu bewerben."

Die Inserate sollten nach "objektiven Kriterien" vergeben werden – wie in der privaten Wirtschaft, erklärt Drozda. Und er meint: nach der Größe des Publikums. Das Bundeskanzleramt werbe bereits nach Auflagenhöhe und Reichweite, erklärt Drozda: "Im Bundeskanzleramt schalten wir de facto nach den Marktanteilen laut Media-Analyse. Wenn Sie sich anschauen, wie das die Kollegen im Außenministerium machen, dann hat das mit Marktanteilen relativ wenig zu tun. Mir geht es darum, dass wir nach objektiven Grundlagen werben."

Die Media-Analyse (MA) weist keine Marktanteile aus, auch die Berechnung von Marktanteilen ist nach der MA nicht möglich – gemeint sind vermutlich Reichweiten.

Medienökonom: Inserate schalten, wie man Straßen baut

Medienökonom Matthias Karmasin plädierte dafür im STANDARD-Interview, die Vergabe von Inseraten wie andere öffentliche Aufträge an Grundbedingungen zu knüpfen: "In Bauvergabeverfahren etwa bekommt der Bestbieter den Auftrag, der bestimmte qualitative Mindeststandards einhält, etwa heimische Sozialstandards bei der Beschäftigung von Arbeitskräften – und nicht der Billigstbieter, der etwa soziale Standards missachtet."

Karmasins "Denkanstoß": "Auch für die Beschaffung von Kommunikationsfläche, Anzeigenraum, Werbezeit müssten öffentliche Stellen Mindeststandards und Kriterien definieren. Wenn diese Mindeststandards eingehalten werden, dann können öffentliche Stellen die jeweiligen Medien buchen." Karmasin nannte als mögliche Kriterien interne Qualitätskontrolle und Teilnahme an Branchenselbstkontrolle.

Den Presserat und seinen Ehrenkodex der österreichischen Presse erkennen derzeit zwei große Massenzeitungen – "Krone" und "Heute" – nicht an. "Österreich" kündigte zuletzt an, es werde dem Presserat beitreten. Bei der neuen Presseförderung soll der Presserat eine Bedingung für Zusatzförderung sein. (APA, red, 13.4.2017)