Wien – Einem Teil schwerkranker Krebspatienten, für die keine etablierte Therapie vorhanden ist, kann Präzisionsmedizin mit zielgerichteten Therapeutika helfen. Das hat die "EXACT"-Studie von Wiener Onkologen und Krebsforschern (Comprehensive Cancer Center, der MedUni Wien, dem AKH und Institut für Krebsforschung) ergeben.

"Alle Patienten waren massiv vorbehandelt. Ein Aufnahmekriterium in die Studie war, dass es für die Kranken keine wissenschaftlich etablierte Therapie mehr gab", sagte Studienleiter Gerald Prager. Die neuen Behandlungsmöglichkeiten wurden in den vergangenen 20 Jahren durch die Identifizierung von Biomarkern ermöglicht, welche die genaue biologische Charakterisierung des Tumors eines Patienten erlauben. Gleichzeitig wurden vor allem mit antihormonell wirkenden Substanzen, monoklonalen Antikörpern und kleinen spezifisch wirksamen Molekülen Medikamente entwickelt, welche die bösartigen Zellen mit einem bestimmten Kennzeichen gezielt treffen. Das hat einerseits zur Aufspaltung organspezifischer Krebserkrankungen, etwa bei Brustkrebs, in viele Untereinheiten geführt. Andererseits können Tumoren verschiedener Organe, beispielsweise Magen- und Mammakarzinome, gleiche Charakteristika aufweisen und auf gleiche Behandlungsformen reagieren.

Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung

Die Studie sollte die Machbarkeit eines Programms zur gezielten Therapie von Krebspatienten mit fortgeschrittener Erkrankung nach Anwendung aller dafür bisher bekannten Behandlungsformen zeigen. "Wir haben das 2013 gestartet. Es wurden 55 Patienten aufgenommen", sagte Prager. Den Kranken mit den verschiedensten Tumorerkrankungen wurde erneut eine Gewebeprobe entnommen. Dann wurden Anteile von 48 bis 50 Genen der Zellen entschlüsselt, welche für Entstehung, Aufrechterhaltung und Wachstum des Tumors verantwortlich sind. Man suchte zum Beispiel nach Mutationen im HER2/neu-, K-RAS-, Met/Alk- oder p53-Gen. Entsprechend der bei erhobenen Daten wurde dann ein zielgerichtetes Medikament verabreicht.

"Normalerweise sprechen Krebspatienten auf die erste Therapielinie zum Beispiel ein Jahr an, bei der zweiten Therapielinie sind es dann sechs Monate, bei der dritten Therapieform drei bis vier Monate", erklärt der Onkologe. In der Studie sollte zumindest eine Erhöhung dieses Progressions-freien Überlebens gegenüber der zuvor letzten Behandlungsform erzielt werden.

Zielgerichtete Therapie

Die Ergebnisse zeigten, dass sich ein solches Programm durchführen lässt und manchen Patienten erhebliche Vorteile bringt. Bei 36 von 55 Behandelten zeigte sich ein längerer Behandlungserfolg als bei der zuvor verwendeten Therapie. "Bei 59,6 Prozent konnte eine Krankheitskontrolle erreicht werden. 27 Prozent der Patienten zeigten einen Rückgang des Tumors, bei vier Prozent verschwand der Tumor komplett", berichtete Prager. Die durchschnittliche Überlebenszeit der Kranken betrug 209 Tage. Einzelne überlebten aber trotz der sehr fortgeschrittenen Krebserkrankung bis zu an die 1.000 Tage.

Die Studie wurde aus den Mitteln der MedUni Wien und des AKH finanziert. Bezüglich der Medikamente gab es Unterstützung durch Pharmaunternehmen. Bei bestätigtem Nutzen finanzierte die längerfristige Therapie die jeweilige Krankenkasse. Der Forschungsförderungsfonds FWF hatte eine Unterstützung nicht genehmigt, obwohl in einzelne ähnliche Pionierprojekte derzeit international oft Dutzende Millionen Euro fließen.

Die Leiterin des Instituts für Krebsforschung der MedUni Wien, Maria Sibilia, unterstrich die Bedeutung der Grundlagenforschung in der Onkologie, welche immer wieder erstaunliche Ergebnisse zeige. So zum Beispiel könnte es bei einer bestimmten häufigen Form von Dickdarmkrebs so sein, dass weniger die Charakteristika der bösartigen Zellen als vielmehr die Art der Immunzellen in deren Umgebung über das Ansprechen auf eine zielgerichtete Therapie entscheidet. (APA, 4.5.2017)