Der Ex-UÇK-Kämpfer Ramush Haradinaj (von der AAK will Premierminister werden.

Foto: Visar Kryeziu

Finanzminister Avdullah Hoti (re.) tritt als Spitzenkandidat für die gemäßigte LDK an.

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Prishtina/Wien – Der Mann, den im Kosovo alle nur Ramush nennen, wird wahrscheinlich nach der Parlamentswahl am kommenden Sonntag der nächste Premierminister des Landes mit etwa 1,8 Millionen Bürgern werden. Ramush Haradinaj ist Vorsitzender der AAK, einer Partei, die aus den Strukturen der ehemaligen Kosovo-Befreiungsarmee UÇK hervorging und vor allem im Westkosovo in der Region Dukagjin ihre Anhänger hat.

Die AAK bekam bei der letzten Wahl im Jahr 2014 nur 9,5 Prozent der Stimmen – aber es ist nicht das erste Mal, dass Haradinaj trotz ähnlicher Ergebnisse Regierungschef wird. 2005 musste er das Amt allerdings niederlegen, um sich dem Kriegsverbrechertribunal zu stellen. 2011 wurde er neuerlich angeklagt und reiste wieder nach Den Haag – allerdings nur unter der Zusicherung, danach wieder Premier werden zu können.

Weil ihm dies in den letzten Jahren nicht gelang, boykottierte er von der Oppositionsbank aus ziemlich erfolgreich jegliches politisches Handeln und brachte sich damit zurück ins Spiel. Haradinaj stellte sich vor allem gegen ein Grenzabkommen mit Montenegro, indem er einfach behauptete, dieses würde dem Kosovo zum Nachteil gereichen.

Verwirrung und Angst

In dem kleinen südosteuropäischen Staat – wo die Angst vor Gebietsverlust alte Traumata reaktiviert – verwirrte er mit dieser Propaganda die Bevölkerung derartig, dass diese nicht einmal dagegen protestierte, dass wegen seiner Politik die Schengenvisaliberalisierung nicht eingeführt werden konnte. Der Kosovo bleibt deshalb ein Visa-Ghetto: Es ist der einzige Staat auf dem Balkan, dessen Bürger nach wie vor Visa brauchen, um in Schengenstaaten zu fahren.

Haradinaj, der zwei Mal vom Kriegsverbrechertribunal freigesprochen wurde, hat diesmal mächtige Verbündete, die ihn ins Premiersamt hieven wollen. Er hat ein Wahlbündnis mit der stimmenstärksten PDK und dem PDK-Ableger Nisma abgeschlossen, die ebenfalls aus der UÇK hervorgingen. Vor kurzem lieferten sich die Vertreter der drei Parteien noch heftige Auseinandersetzungen. Nun sind sie eng zusammengerückt.

Sondergericht für Kriegsverbrechen

Denn das Hauptziel des Wahlbündnisses ist es, in Zukunft die Lage im Land zu kontrollieren, wenn das neue Sondergericht für Kriegsverbrechen, das nur durch den Druck der USA und EU geschaffen wurde, voraussichtlich im Herbst mit den ersten Prozessen beginnen wird.

Vertreter aller drei Parteien könnten angeklagt werden. Es ist anzunehmen, dass sie sich wechselseitig "schützen" werden. Immunität können sie durch politische Posten nicht erlangen, sie spekulieren aber damit, dass der Staat die Anwaltskosten übernehmen könnte, wenn sie an der Macht sind. Außerdem wollen sie die Informationspolitik in der Hand haben.

Ein Pflichtthema für die künftige Koalition ist auch die Gründung der Vereinigung der serbischen Gemeinden, welche 2013 im Brüsseler Abkommen Belgrad zugesagt worden war, aber noch immer nicht umgesetzt wurde.

Hoti holte neue Leute

Unsicher ist, ob der Wahlblock genug Stimmen für eine Regierung bekommen wird. Er kann aber mit den Minderheitenvertreter – 20 der 120 Abgeordneten – rechnen. Der Politikwissenschafter Arben Hajrullahu von der Universität Prishtina schließt jedoch nicht aus, dass die LDK von den USA und der EU gezwungen werden könnte, mit dem "UÇK-Block" zu koalieren. Zumal bereits 2014 die Regierung zwischen LDK und PDK mit Druck von außen geschmiedet wurde.

Hajrullahu hofft auch, dass die EU und die USA diesmal nicht nur auf "Stabilität" setzen, wie sie dies so oft tun, und dabei die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit vernachlässigen. Er kritisiert zudem, dass wichtige Themen wie Bildung, Transparenz und Infrastruktur im Wahlkampf des "UÇK-Blocks" nicht vorkommen.

Herausforderer des "UÇK-Wahlblocks" ist das Bündnis zwischen der gemäßigten Demokratischen Liga (LDK) und der Partei des Bauunternehmers Behgjet Pacolli. Als Spitzenkandidat der LDK tritt der anerkannte Finanzminister Avdullah Hoti und nicht mehr der uncharismatische Parteichef Isa Mustafa an.

Der Ökonom Hoti hat sich zudem ein paar junge Leute ins Team geholt. Die nationalistische Vetvedendosje, die mit der Ankündigung antritt, das islamische Kopftuch in der Schule erlauben zu wollen, kommt als Koalitionspartner für Hoti aber kaum infrage. (Adelheid Wölfl, 7.6.2017)