Wien – Es war in den 1980er-Jahren, als erstmals sogenannte rekombinante Proteine als Biopharmazeutika auf den Arzneimittelmarkt kamen. Die synthetisch produzierten Eiweiße können mit neuen Funktionen ausgestattet werden, sie gelten als hochwirksam und weitgehend nebenwirkungsfrei. Heute sind die biotechnologisch erzeugten Eiweiße fixer Bestandteil der medizinischen Praxis und stellen bei vielen Erkrankungen die einzige Therapieform dar.

Zentrale Medikamente wie etwa Insulin oder Interferon bauen auf die Wirkung der Proteine, die mithilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt werden. Die Eiweiße ermöglichen die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen wie Krebs und gravierender Autoimmunerkrankungen. Schätzungen der Pharmaindustrie zufolge wächst der Markt für Biopharmazeutika mindestens doppelt so schnell wie jener traditioneller Arzneimittel. Das Potenzial dieser Medikamente weiter auszubauen, die Einsatzmöglichkeiten neuartiger Proteine zu erforschen und die Wirksamkeit zu erhöhen könnte künftig neue Horizonte in der Medizin eröffnen.

Am Department für Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien nimmt nun das neue Christian-Doppler-Labor zur Produktion neuartiger Biopharmazeutika seine Arbeit auf. "Es gibt ein breites Spektrum an offenen Fragestellungen der Bioprozesstechnik, die wir auf der Ebene der Grundlagenforschung bearbeiten können", erklärt Gerald Striedner, Leiter des neuen CD-Labors. In Kooperation mit dem Regional Center Vienna des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim sollen neue Lösungsansätze für eine effiziente Produktion rekombinanter Proteine gefunden werden.

In vielen Bereichen bedürfen Biopharmazeutika – und künftige Generationen davon – noch eingehender Grundlagenforschung. Denn bisweilen ist der Haken an den zukunftsträchtigen Medikamenten die teilweise enorm aufwendige Produktion, die in einem komplexen dreistufigen Prozess stattfindet. Am Anfang können Bakterien, Hefen oder Säugetierzellen stehen, im Fall des CD-Labors an der Boku werden Escherichia-coli-Bakterien als Ausgangsorganismus verwendet.

Escherichia coli wird häufig für die biotechnologische Synthese von Arzneimitteln verwendet, da es als natürlicher Bestandteil der menschlichen Darmflora keine Allergien verursacht. Im ersten Schritt, dem Zellengineering, werden E.-coli-Bakterien gentechnisch derart verändert, dass sie Proteine mit den gewünschten Eigenschaften fabrizieren.

Komplizierte Prozesse

Der zweite Schritt ist die Fermentation, bei der die jeweiligen Eiweiße in Bioreaktoren hergestellt werden. Im dritten Schritt, der Produktaufreinigung, werden die entstandenen Proteine isoliert und gesäubert. Dieser Prozess gestaltete sich häufig kompliziert und langwierig, da die Eiweiße zum Teil nur unter hohem Aufwand aus den jeweiligen Organismen gelöst werden können.

In alle drei Schritte sind unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen eingebunden. Das neue CD-Labor konzentriert seine Arbeit daher auch auf die Frage, inwieweit Neuerungen in einzelnen Prozessschritten die Effizienz der darauffolgenden Schritte, die Produktausbeute und die Produktqualität beeinflussen. Die Kooperation zwischen Wissenschaft und Pharmaindustrie könne im Rahmen des CD-Labors maßgeblich ausgebaut werden, betont Striedner.

Neben neuen Ansätzen in der Prozesstechnik soll im Bereich der Proteinaufarbeitung ein auf Mikropartikeln basierendes System untersucht werden, um so die Produktionsmethoden bei Biopharmazeutika weiterzuentwickeln. Denn bereits während der Herstellung können etliche Faktoren wie Temperatur, pH-Wert oder das jeweilige Aufreinigungsverfahren die Qualität und sogar die Wirkung der Endprodukte beeinflussen. Hinzu kommen die bis dato noch vergleichsweise hohen (Herstellungs-)Kosten der Biopharmazeutika, die 20-mal teurer sein können als eine Behandlung mit herkömmlichen Wirkstoffen.

Um all diese Fragen zu lösen, hat das interdisziplinäre Team des CD-Labors zur Produktion neuartiger Biopharmazeutika noch bis Ende 2023 Zeit. Das Budget für das neue Christian-Doppler-Labor beträgt 4,6 Millionen Euro, die je zur Hälfte von der öffentlichen Hand – durch Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium sowie durch die Nationalstiftung – und dem beteiligten Industriepartner aufgebracht werden. (Marlene Erhart, 15.6.2017)