Pensionsexperte Bernd Marin kritisiert, dass die bisherigen Reformen bei den Sonderpensionen im staatsnahen Bereich zu wenig umfassend ausgefallen seien.

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Die SPÖ mit ihrem Parteichef Christian Kern (rechts) will im Wahlkampf mit zusätzlichen Mitteln für die Mindestpensionisten punkten. Was sein Herausforderer Sebastian Kurz davon hält, verrät die ÖVP vorerst nicht.

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Bei der Nationalbank haben sich ehemalige Mitarbeiter schon gegen die letzte Reform gewehrt – allerdings erfolglos.

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Wien – Für einen neuen Streit beim Pensionsthema ist die ÖVP nicht zu haben. Niemand aus der Partei wollte am Montag die Pensionsvorschläge, mit denen die Roten in die Wahl gehen wollen, kommentieren. Man bleibt bei der Linie: Inhalte werden erst im September vorgestellt, bis dahin herrscht also weiterhin Rätselraten, was dem neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz abseits der Asyl- und Zuwanderungsthematik vorschwebt.

Die SPÖ hat, wie berichtet, vorgeschlagen, hohe Sonderpensionen im staatsnahen Bereich neuerlich zu kürzen. Die Mindestpensionen sollen umgekehrt für bestimmte Personenkreise steigen. Derzeit gibt es die erhöhte Ausgleichszulage von 1.000 Euro (statt 889,84 Euro) nur, wenn man 30 Arbeitsjahre vorweisen kann. Die SPÖ will auch Kindererziehungszeiten berücksichtigen. Bei Paaren, die die Voraussetzungen erfüllen, soll die Mindestpension 1.500 statt 1.334 Euro betragen. Die Gutschriften auf den Pensionskonten will die SPÖ per Verfassungsgesetz absichern, wie Sozialminister Alois Stöger im STANDARD-Interview erklärte.

Bisher nur geringe Einbußen

Für den Pensionsexperten Bernd Marin ist der Versuch, die Zusatzpensionen von früheren Mitarbeitern von Notenbank, Kammern oder Sozialversicherungsträgern zu senken, "eine sehr populäre, und auch zu Recht erhobene Forderung", wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt. Die letzte Reform im Jahr 2014 hatte zwar auf dem Papier Solidarbeiträge von fünf bis 25 Prozent ausgewiesen, wegen der Methodik der Reform lagen die tatsächlichen Kürzungen aber bei "nur ein bis zwei Prozent oder durchschnittlich 53 Euro monatlich der gesamten Luxuspensionen", wie Marin kritisiert.

Zur Erklärung: Die ASVG-Pensionen waren von den Kürzungen gar nicht betroffen. Bei den Zusatzpensionen geht es immer nur um jene Teile, die über der Höchstbeitragsgrundlage liegen (aktuell 4.980 Euro). Wer also eine Zusatzpension von 6.000 Euro bekommt, muss nur für 1.020 Euro fünf Prozent zahlen. Auf 25 Prozent steigt der Pensionssicherungsbeitrag aktuell erst für Pensionsteile, die über 14.940 Euro liegen. Klagen von ehemaligen Notenbankern, die in Einzelfällen über 30.000 Euro Pension bekommen, wurden vom Verfassungsgerichtshof zuletzt abgewiesen.

"Selbstbedienung"

Für Marin ist es nur naheliegend, dass man hier weitere Schritte setzt, der Kanzler habe sich ausdrücklich dafür ausgesprochen. Angesichts der kaum durch Beiträge gedeckten Sonderpensionen spricht er von "Selbstbedienung an öffentlichen Kassen" und "Sümpfen struktureller Korruption", die "trocken zu legen" seien.

Zurückhaltend kommentiert Marin den Vorschlag, die Ansprüche auf den Pensionskonten per Verfassungsgesetz vor nachträglichen Änderungen abzusichern. Grundsätzlich sei die Überlegung nahelegend. "Sinn macht das, soweit das Pensionssystem ohne staatliche Zuschüsse auskommt, das ist bei uns aber kaum der Fall." Tatsächlich schießt der Bund in Österreich rund 20 Milliarden Euro jährlich zu den ASVG- sowie Beamtenpensionen zu, das sind rund 20 Prozent aller Steuereinnahmen.

Bevorzugung von Verheirateten

Im Zusammenhang mit der höheren Ausgleichszulage seien zwar Überlegungen zur Reduktion von Altersarmut zu begrüßen, es sei aber die Frage, ob die Bevorzugung von Ehepaaren gegenüber Unverheirateten, etwa Alleinerzieherinnen nicht neue Ungerechtigkeit bedeute.

Der industrienahe Thinktank Agenda Austria vermisst in den roten Pensionsplänen Maßnahmen zur weiteren Anhebung des Pensionsalters. "Nur wenn endlich die steigende Lebenserwartung berücksichtigt wird, werden die Zuschüsse aus dem Budget zu den Pensionen im Rahmen bleiben", hält Ökonom Michael Christl fest.

Fassungslose Neos

In diese Richtung argumentiert auch Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Er sei "fassungslos" über Stögers "Belastungsideen". Die Mehrkosten für die höheren Mindestpensionen werden vom Sozialressort mit 51 Millionen Euro jährlich beziffert. Für Loacker ist es ein "Wahnwitz", dass die SPÖ weiter eine Pensionsautomatik ablehne.

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl wiederum hält die SPÖ-Pläne für unglaubwürdig. Die Roten hätten einer Abschaffung des Pensionistenpreisindex zugestimmt, aber im Parlament gegen eine Erhöhung der Mindestpension auf 1.200 Euro gestimmt. Auch die grüne Sozialsprecherin Judith Schwentner und der ÖVP-Seniorenbund kritisierten, dass viele der nun geforderten Punkte von der SPÖ bisher abgelehnt worden seien.

Mit Widerstand der Arbeiterkammer, deren Ex-Mitarbeiter von Einschränkungen bei den Sonderpensionen betroffen wären, muss Stöger nicht rechnen. "Da hat er unsere Unterstützung", sagt AK-Direktor Christoph Klein. Für die heutigen Mitarbeiter sei das System ohnehin bereits vor 15 Jahren umgestellt worden. (Günther Oswald, 31.7.2017)