Bild: Absolver
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Spiele, in denen man sich hübsch animiert mit Fußtritten, Handkantenschlägen und der einen oder anderen Nahkampfwaffe nahe kommt, gibt es wie Sand am Meer. Das soeben erschienene Action-MMO "Absolver" (Windows, PS4, 29,99 Euro) ist allerdings ein bisschen anders als die bisherigen Genre-Einträge geraten.

In "Absolver" steuern Spielerinnen und Spieler einen stummen, selbst gestaltbaren Protagonisten auswählbaren Geschlechts durch eine offene Spielewelt im bildhübschen Low-Poly-Look. Die weitverzweigte Ruinenstadt samt Umgebung, die das Hauptspielfeld ist, ist dabei ebenso mysteriös wie atmosphärisch geraten, und gefährlich ist sie obendrein: Nicht nur, dass hier unzählige vom Computer gesteuerte Kämpfer und eine Handvoll beeindruckender Ober- und Unterbosse auf Abreibung warten, auch andere menschliche Mitspieler durchstreifen das Gelände und stellen sich, je nach Temperament, mal als Freund oder Feind heraus. Überhaupt ist Ungewissheit ein zentrales Thema dieses Spiels: Die minimalistische Story und die wenigen Dialoge verraten nur wenig über diese geheimnisvolle Welt.

Detaillierte Kampfsport-Simulation

Spielmechanischer Dreh- und Angelpunkt von "Absolver" ist der meist unbewaffnete Nahkampf, und hier betritt das Indiespiel französischer Entwickler mutig Neuland: Statt wie in den meisten anderen Kampfspielen fixe Tritte, Schläge und andere Kampfmanöver anzubieten, lassen sich die Bewegungsabfolgen und Kombos der Hauptfigur in zahlreichen Einzelbewegungen zu sogenannten "Decks" und damit einzigartigen Movesets aus bis zu zwölf verschiedenen Einzelattacken zusammenstellen. Dabei sind Eleganz und das Ineinanderfließen der einzelnen Attacken wichtiger als in anderen Kampfspielen wie etwa "For Honor", das im Vergleich mit den tänzerischen Kämpfen von "Absolver" fast brachial anmutet.

Neue Kampfmanöver lassen sich vor allem im Kampf abschauen oder aber in Sparringsessions mit anderen menschlichen Mitspielern erlernen. Wer einen besonders effizienten oder auch nur originellen Kampfstil kreiert hat, kann eine "Schule" gründen und andere Mitspielerinnen und -spieler unterrichten, oder aber selbst einer solchen beitreten und sich so weiterbilden.

Dieser Ausbau der Spielfigur ist nicht nur auf diese Movesets beschränkt, sondern vollzieht sich auch rollenspieltypisch im Aufleveln von Eigenschaften und Ausrüstungsgegenständen. Beim Durchstreifen der stimmungsvollen Ruinen sieht man sich des Öfteren an die Atmosphäre des großartigen "Journey" erinnert, dessen meditativer Charakter wird aber hier wieder und wieder von Kämpfen unterbrochen. Besonders die Begegnung mit menschlichen Mitspielern ist dabei immer wieder spannend: Wie in "Dark Souls" kann man nur durch Gesten miteinander kommunizieren und weiß nie, wie einem das Gegenüber gesinnt ist. Ob man von anderen Spielern brutal überfallen oder aber freundlich begrüßt und im aktivierbaren Koop begleitet wird, ist somit jedes Mal eine Überraschung. Hier und auch in anderen Aspekten erkennt man, dass die "Souls"-Reihe ästhetisch und mechanisch ein großes Vorbild von "Absolver" gewesen sein dürfte: Ausdauer-Mechanik, originelles Multiplayer und die lakonische, von Wortlosigkeit begleitete Atmosphäre dürften Fans der From-Software-Spiele auch hier wiedererkennen.

Viel Spiel im zu kleinen Rahmen

Die zentralen Gameplay-Loops von "Absolver" wissen zu gefallen: Die Erforschung der Welt wird zur kurzweiligen Action-Reise durch eine wunderschöne Umgebung, bei der zu Beginn häufige Levelanstiege, spannende Treffen mit echten Menschen und die schrittweise Überwindung der von der dürren Story vorgegebenen Bossgegner ebenso motivieren wie das Ausprobieren neuer Moves und das Feilen am eigenen Kampfstil. Umso abrupter und enttäuschender ist es, dass die Story nach etwa fünf Stunden an ihr unspektakuläres Ende kommt und Spielerinnen und Spieler fast wortlos einfach wieder in die Welt entlässt.

Natürlich kann man auch nach dem Besiegen des letzten Story-Bosses weiterhin durch die Welt streifen, in den Ruinen oder speziellen Arenakämpfen gegen andere Spielerinnen und Spieler antreten und sein Moveset vervollständigen oder seine eigene Kampfschule gründen – doch ob diese Beschäftigungsmöglichkeiten für wirkliche Langzeitmotivation sorgen, lässt sich derzeit noch schwer abschätzen.

Die Entwickler haben auch nach dem Release noch inhaltlichen Nachschub angekündigt; an der Enttäuschung über das jetzt doch recht kurze Story-Vergnügen hilft das nur bedingt hinweg. Die hin und wieder auftretenden technischen Probleme mit Lag und Verbindungsunterbrechungen haben die Entwickler auf jeden Fall bereits jetzt in Angriff genommen.

Trailer zu "Absolver".
DevolverDigital

Fazit

"Absolver" ist ein faszinierendes Spiel, das in Sachen Präsentation, aber auch durch sein originelles und motivierendes Kampfsystem hervorsticht. Die Interaktion mit anderen Menschen ist – wie bei Online-Spielen üblich – zwar von deren Bereitschaft zum konstruktiven Zusammenspiel abhängig, doch momentan, kurz nach Release, überwiegt eher die Freude am gemeinsamen Ausloten der Möglichkeiten dieser neuen Spielwelt.

Zugleich schmerzt es, dieses faszinierend neue Spielkonzept in eine derart kleine Form gepresst zu sehen. "Absolver" ist ein potenzieller Martial-Arts-Riese, der seine komplexe Spielmechanik mit längerer Kampagne, größeren Schauplätzen und schlicht mehr Inhalt zu beeindruckender Epik entfalten könnte. Davon ist momentan nur eine Ahnung zu verspüren – es bleibt zu hoffen, dass das Spiel tatsächlich noch erweitert wird oder aber sich seine Spielerinnen und Spieler im Ausbau diverser Kampfschulen und spezieller Decks selbst ausreichend beschäftigen können, um auch nach dem Absolvieren der kurzen Story ein Wiederkehren zu rechtfertigen.

Ein wunderschönes, originelles Kampfspiel wie kaum eines zuvor – schade, dass es nicht umfangreicher geraten ist. Nicht immer ist weniger mehr. (Rainer Sigl, 1.9.2017)

"Absolver" ist für Windows-PC und PS erschienen. UVP: 29,99 Euro.