Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfuhr eine außergewöhnliche Anwendung der Fotografie rasanten Aufschwung: die Darstellung von Geistern und spirituellen Erscheinungen. In Zeiten der Unsicherheit, entbehrungsreicher Jahre und der Verluste von Angehörigen, stieg der Drang danach, geliebte Menschen auch nach ihrem Tod nicht aus den Augen verlieren zu müssen. Besonders nach dem Ersten Weltkrieg machten daher begabte Scharlatane ein gutes Geschäft mit den Sehnsüchten der Menschen.
Fotos von Geistern – ein Kinderspiel
Heute lassen sich derartige Fotos mit entsprechender Bildbearbeitung recht unkompliziert herstellen. Aber bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Fotografie so weit fortgeschritten, dass für einen Fotografen, der sein Handwerk beherrschte, das Anfertigen von Doppelbelichtungen ein Kinderspiel war. Und darauf beruhen die meisten der Geisterdarstellungen, die in Vielzahl kursierten.
William Hope, Geister-Fotograf
Einer dieser geschäftstüchtigen Fotografen war William Hope.
Ursprünglich Zimmermann von Beruf, machte sich Hope schon bald einen Namen in den an paranormalen Phänomenen interessierten Kreisen der englischen Grafschaft Cheshire. Denn er war in der Lage, für das Auge unsichtbare Geistwesen mit seiner Kamera festzuhalten. Das erste derartige Foto fertigte er im Jahr 1905 an.
William Hope hatte Erfolg mit seinen Fotos und gründete mit Gleichgesinnten eine Gruppe von spirituellen Fotografen, die als Crewe Circle bekannt wurden. Die Nachfrage stieg rasant nach dem Ende des Weltkriegs, als sich viele Menschen meldeten, die um einen letzten Kontakt zu in den Wirren der Kriegsjahre getöteten oder verschollenen Angehörigen baten. Oft nahmen sie Fotos ihrer Lieben mit, die Hope wohl häufig dazu nutzte, ihre Gesichter in den Geisterfotos erscheinen zu lassen.
Der Schwindel fliegt auf
Ertappt wurde William Hope schließlich von Harry Price, einem britischen Parapsychologen. Im Jahr 1922 sammelte er Beweise, die eindeutig belegten, dass Hope die belichteten Glasplatten bewusst manipulierte. Obwohl Price seine Untersuchungen veröffentlichte und William Hope damit der bewussten Täuschung überführt war, tat dies der Geschäftsidee keinen Abbruch. Bis zu seinem Tod im Jahr 1933 widmete sich Hope weiterhin seinen Geisterfotografien – und auch die Kunden blieben nicht aus.
Diese faszinierenden Fotos wurden zufällig in einem Antiquariat in Lancashire von einem Kurator des National Science and Media Museums entdeckt und in weiterer Folge veröffentlicht. (Kurt Tutschek, 31.10.2017)
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