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Wien – Die Forderungen von Johannes Kopf nach einem Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik stoßen auf Widerspruch. Der Chef des Arbeitsmarktservice hatte im STANDARD angeregt, die Aktion 20.000 angesichts der guten Konjunkturlage zu hinterfragen.

Die Aktion hat das Ziel, 20.000 neue Jobs für Langzeitarbeitslose über 50 Jahre bei Gemeinden und gemeindenahen Betrieben zu schaffen. Kopf schlug als ersten Schritt vor, den Umfang auf 5.000 oder 8.000 Personen zu reduzieren.

Der führende Arbeitsmarktexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, Helmut Mahringer, bezeichnet die Vorschläge des AMS-Chefs als "unvollständig" durchdacht. Bei den meisten Langzeitarbeitlosen über 50 Jahre gebe es "typischerweise eine Reihe von Gründen, die es verhindern", dass diesen Menschen der Wiedereinstieg am Arbeitsmarkt gelingt, sagt Mahringer. Unterstützung für Kopfs Pläne kommt hingegen vom roten AMS-Vorstandskollegen Herbert Buchinger im "Kurier" (Freitag-Ausgabe): "Wenn die neue Regierung das also so will, kann man das Programm schon redimensionieren, sollte es aber keinesfalls einstampfen", wird Buchinger zitiert.

Ältere Arbeitskräfte seien unbeliebt

Neben fehlender Qualifikation wollen viele Unternehmen keine älteren Arbeitskräfte. Hinzu kommt, dass Menschen, die ein Jahr oder länger nicht arbeiten, prinzipiell geringere Chancen auf eine Einstellung haben als Personen, die erst kürzlich arbeitslos geworden sind, so Mahringer. Viele Betroffene in der Gruppe kämpfen zudem häufig mit gesundheitlichen Problemen. Mahringer: "Diese Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren wird im Regelfall mit Qualifikationsmaßnahmen allein nicht gelingen."

Bei der Aktion 20.000 übernimmt der Staat die Lohnkosten. 780 Millionen Euro sind für das Programm reserviert. AMS-Chef Kopf hatte vorgeschlagen, die Gelder stattdessen für Qualifikationsmaßnahmen zu nutzen.

Gruppe mit Bedarf

Mahringer plädiert dafür, die Aktion 20.000 wie geplant 2018 weiterlaufen zu lassen. Dann ließe sich evaluieren, was das Programm bringt und ob es gelingt, Menschen daraus am klassischen Arbeitsmarkt unterzubringen.

"Der frühe Pensionsantritt wurde erschwert. Die demografische Entwicklung sorgt zusätzlich dafür, dass es in Zukunft selbst bei guter Wirtschaftslage mehr Menschen über 50 geben wird, die nicht in den Arbeitsmarkt finden. Deshalb war es sinnvoll, sich mit der Aktion 20.000 genau für diese Gruppe etwas zu überlegen."

Mahringer zeigt sich außerdem über die Vorschläge von Kopf verwundert, das Arbeitslosengeld zu reformieren. Der AMS-Chef plädierte dafür, künftig ein höheres Arbeitslosengeld auszuzahlen, dieses dann aber stufenweise abzusenken. Damit soll der Anreiz steigen, Jobs anzunehmen.

Mahringer verweist auf eine vom AMS selbst in Auftrag gegebene Untersuchung, die das Wifo 2016 publiziert hat. In dieser haben Ökonomen analysiert, ob eine Senkung der Bezugsdauer beziehungsweise der Höhe des Arbeitslosengeldes dazu führt, dass Menschen eher einen Job annehmen. Ergebnis der Studie: Nein, einen statistisch relevanten Zusammenhang gibt es nicht.

Arbeitslosengeld nicht der einzige Arbeitsanreiz

Mahringers Erklärung dafür: Die Arbeitsmarktpolitik in Österreich sei breit aufgestellt, es gibt Förderungen und Forderung. So führt das AMS Qualifikationsmaßnahmen durch, verlangt aber auch von Betroffenen, Jobangebote anzunehmen. "Es gibt andere Quellen des Arbeitsanreizes als die Höhe des Arbeitslosengeldes", so Mahringer.

Auch von der Idee, die Notstandshilfe, eine Leistung, die vom AMS ausbezahlt wird, zu streichen, hält Mahringer für problematisch. Kopf schlägt vor, stattdessen die Mindestsicherung auszuzahlen, was den Ländern obliegt. Mahringer sieht die Gefahr, dass Betroffene dann zwischen AMS und Ländern "hin- und hergeschoben werden". (András Szigetvari, 23.11.2017)