Die gängige Ausrede macht die Angelegenheit besonders schauderhaft. Sideletter, geheime Postenabsprachen im Sinne politischer Günstlinge – schlimm? Eh, aber so war das doch schon immer. Wundert’s wen? Man muss das einmal sickern lassen. Politiker und wohl auch viele Österreicherinnen haben sich an personalpolitische Korruption – oder schöner: Freunderlwirtschaft – einfach gewöhnt.

Aber es liegt jetzt schwarz auf weiß vor, dass sich ein noch nicht angelobter Kanzler (Sebastian Kurz) und sein künftiger Vize (Heinz-Christian Strache) einst ausgedealt hatten, wer im Verfassungsgerichtshof in Zukunft Entscheidungen fällen soll. Und zwar lange bevor die Posten ausgeschrieben oder überhaupt nur frei waren. Sie vereinbarten, welche Partei welche Jobs in der Nationalbank besetzt. Anhand konkreter Namen wurde besprochen, wer im öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Sagen haben darf. Die Nebenabsprachen zwischen ÖVP und Grünen waren nicht so ausführlich, gegeben hat es sie auch.

Es liegt jetzt schwarz auf weiß vor, was Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache einst ausgedealt hatten.
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Das alles muss ein Ende haben. Da reichen die müden Bekundungen des neuen Kanzlers nicht aus. Denn moderne Verwaltung hat transparent und im Sinne der Bevölkerung zu agieren: Liebe Politik, eure Freunderln, das sollten wir alle sein.

Um bestmögliche Personalentscheidungen sicherzustellen, könnte die Regierung zumindest gewisse Postenvergaben ins Parlament oder auch an fachlich versierte und möglichst unabhängige Gremien auslagern. Solche Personalkomitees sind zwar demokratisch nicht legitimiert, sie könnten aber wenigstens eine Vorauswahl treffen – rein anhand der Eignung der Kandidatinnen. In den Gremien dürften aber logischerweise keine Parteigänger sitzen, die erst recht nur die eigenen im Sinn haben. Ein paar Anregungen.

Hinterzimmer

Für die Präsidentinnen und Präsidenten des Obersten Gerichtshofs und der Verwaltungsgerichte werden seitens der Justiz richterliche Gremien eingefordert. Das ist so dringlich wie sinnvoll und gehört ohne Zögern umgesetzt. Für andere Besetzungskomitees könnte man im Sinne möglichst großer Unabhängigkeit aber auch unkonventionelle Zusammensetzungen andenken: Bewerbungen potenzieller Höchstrichterinnen könnten etwa von einem bunten Mix an Experten vorsortiert werden. Warum nicht beispielsweise immer den gerade zuletzt emeritierten Dekan der juridischen Fakultät in Innsbruck ins Personalkomitee berufen? Die Vorsitzende der Bioethikkommission? Jemanden aus der Richtervereinigung? Vielleicht auch eine ausgeschiedene Präsidentin des Höchstgerichts? Pensionierte Fachleute haben den Vorteil, dass sie beruflich auf niemanden mehr angewiesen – und dadurch unbestechlicher – sind.

Skurrile Ideen? All das wäre jedenfalls besser, als es derzeit ist, wenn Ausschreibungen regelmäßig zur Farce verkommen. Für Besetzungsfragen in der Nationalbank könnte man auch auf internationale Expertinnen setzen. Ähnliches gilt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Warum nicht jemanden aus der BBC oder der ARD mitauswählen lassen, wer für Führungsjobs geeignet ist?

Wir schreiben das Jahr 2022. Es ist keinen Tag länger akzeptabel, dass sich (vor allem) Männer in Hinterzimmern die Republik aufteilen. Wenn sich die Regierung ernst nimmt, muss sie jetzt Lösungen finden. Im Übrigen gehört das Amtsgeheimnis endlich abgeschafft. (Katharina Mittelstaedt, 4.2.2022)