Die mehrheitlich proserbische Regierung unter Ministerpräsident Krivokapić ist gescheitert.

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Am späten Freitagabend wurde die montenegrinische Regierung unter Premier Zdravko Krivokapić durch ein Misstrauensvotum der Stimmen der Opposition und der Partei Ura, die Teil der Koalition war, gestürzt. Die Regierung Krivokapić, die nur 14 Monate im Amt war, galt von Beginn an als "Experiment". Denn die Koalition von extrem unterschiedlichen Parteien mit konträren ideologischen Ausrichtungen hatte ganz offensichtlich viele Sollbruchstellen. Dennoch kann man sie als "historisch" bezeichnen, denn sie stellte den ersten Machtwechsel nach 29 Jahren dar – das erste Mal hatte die DPS vom derzeitigen Präsidenten Milo Dujkanović keine Regierungsfunktion mehr, sondern musste in die Opposition gehen.

Einige Parteien verließen am Freitag, nach einer parlamentarischen Diskussion, die mit vier Stunden Verspätung begonnen hatte, noch vor dem Misstrauensvotum das Plenum. Der Parteichef der grün-liberalen Ura, Dritan Abazović hatte den Koalitionsbruch entschieden, weil er die Vorgangsweise anderer Regierungsmitglieder nicht mehr mittragen konnte. Eigentlich handelte es sich – jenseits von Vizepremier Abazović – um ein Technokraten-Kabinett, doch die stärkste Partei, die die Koalition mittrug, die proserbische und prorussische Demokratische Front (DF), forderte immer wieder mehr Einfluss und die Umsetzung ihrer politischen Ziele.

Nationalpolitik

Die DF verfolgt nicht nur eine serbisch-nationalistische Nationalpolitik in dem kleinen Balkan-Staat, sondern ist auch eng mit der serbischen Orthodoxie verbunden, die von der Belgrader Politik beeinflusst ist und in den vergangenen zwei Jahren immer mehr politischen Raum in Montenegro für sich beanspruchte. Das wiederum besorgte westlich orientierte Kräften in Montenegro, aber auch die Nato und USA. Im Zuge des Auseinanderdriften der ehemaligen Koalitionspartner, verlor Abazović seine Position als Koordinator des Sicherheitssektors, dies war aber eine Art Garantie für die Nato gewesen, damit Montenegro zumindest in diesem Bereich nicht unter den Einfluss antiwestlicher Kräfte geraten sollte.

Abazović will nun eine Minderheitsregierung mit Hilfe der DPS und einigen Minderheitenvertretern eingehen. Die DPS soll allerdings nicht in der Regierung sitzen. Dieses Vorhaben gilt als weiteres Experiment, denn dadurch würde nicht nur die als extrem korrupt geltende DPS und Dujkanović wieder mehr an Einfluss gewinnen, das Konstrukt gilt auch als äußerst fragil. Deshalb gab es am Freitag bereits zahlreiche Stimmen, die baldige Neuwahlen in Montenegro forderten. Abazović meinte, dass so schnell wie möglich eine neue Regierung gewählt werden müsse und dass er bereits Gespräche mit der parlamentarischen Mehrheit aufgenommen habe.

Neuwahlen möglich

"Wenn es keine Lösung gibt, dann gehen wir zu den Wahlen", fügte er allerdings hinzu. Der Vorsitzende des Parlamentsklubs der DPS, Danijel Živković, sagte, seine Partei sei bereit, mit allen zu sprechen, die es "gut meinen". Milo Dujkanović und seine DPS werden wohl nun versuchen, wieder möglichst viel Einfluss zurück zu erobern, allerdings hat die langjährige Regierungspartei durch den Machtwechsel bereits wichtige strukturelle Ressourcen verloren und wird deswegen wohl nicht zu ihrer alten Machtfülle zurückkommen können.

Offen ist, wie sich eine neue Regierung zu der "Offener-Balkan"- Initiative des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić verhalten wird. Die bisherige Regierung war gegen dieses Projekt. Wichtig wäre für Montenegro eine umfassende Reform der Justiz, die in den Djukanović-Jahren von parteilichen Interessen unterlaufen wurde und nicht unabhängig ist. (Adelheid Wölfl, 5.2.2022)