Draußen meterhoch der Schnee, drinnen ein weltläufig heimeliger Ort, an dem zu fairen Preisen groß aufgekocht wird.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Michael Kolm war über sieben Jahre Souschef bei Markus Mraz, kochen kann der Mann aus Arbesbach, wo das Waldviertel schon deutlich näher an Linz als an Wien liegt, also echt. Dennoch ist es eine ganz eigene Herausforderung, hier draußen im Nirgendwo mit großer Küche Erfolg zu haben. Wie es geht, zeigt Kolm schon seit 14 Jahren: Mit Verwurzelung in der Gegend – das Wirtshaus der Familie wird 1709 erstmals an dieser Stelle erwähnt –, mit weltläufiger Küche und mit einer Speisekarte, die neben Kaisergranat oder Rehleber immer auch Wirtshausklassiker von Kalbsgulasch bis Krautfleisch pflegt.

Jetzt hat der Koch und Wirt sich auch noch einen qualitätvollen Umbau geleistet. Die Gestaltung kommt von Erich Bernard und Pia Temt von den BWM Architekten (Figlmüller, Sacher Eck, Dingelstedt, XO Grill …), die den zuvor herausfordernd gestalteten Ort mit zum Restaurant offener Anrichteküche als Bühne für den Chef, mit großer Feuerstelle und qualitätvollen Materialien zu einem eleganten, vor allem aber sehr behaglichen Ort gemacht haben.

Tiny Houses

Das vielleicht Allerbeste: Wenn man sich nach einem der – echt großen – Menüs vom Tisch erhebt, wartet eine kleine Kolonie individueller Tiny Houses mit riesigen Betten, spektakulärem Blick – und einem Frühstück, das in der Früh ganz diskret über eine Klappe eingeschoben wird.

Es empfiehlt sich, so eine "Lodge" gleich mit zu buchen, bekanntlich funktioniert Eintauchen ins Idyll eben nur, wenn man es ganz macht. Außerdem geht die große Küche hier draußen stets auch mit großen Portionen einher. Wer so geschnitzt ist, dass er nach Vollprogramm in Wiener Edelrestaurants immer wieder mit einem abschließenden Zwischenstopp beim Würstelstand liebäugeln muss, wird hier richtig glücklich.

Wer nur mit normal großem Hunger kommt, sollte Freude an Verdauungsspaziergängen haben. So ist das hier: Ziemlich spektakuläres Essen in großen Portionen, dazu eine Weinbegleitung, die sehr gekonnt zwischen Klassik (Grauburgunder Gamlitz, Hannes Sabathi), gezähmtem Funk (Glugglich von Loimer) und Raritäten (Lindenblättriger von Umathum) changiert – und mit 30 Euro ein Geschenk ist. Eingeschenkt werden natürlich anständige Achtel, wäre ja Verschwendung, wenn man schon so schöne Zalto-Gläser hat und die dann nur zaghaft nass machte.

Die große Küche geht in Arbesbach stets auch mit großen Portionen einher: geröstete Rehleber.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Geräucherter Karpfen, wunderbar schmelzig, wird in einen Hauch von Roter Rübe gefüllt, dazu gibt es sauren Apfel, gerösteten Mohn und irrsinnig gute Crème fraîche aus dem nahen Oberösterreich. Selchschaumsuppe interpretiert Kolm als winterweiße Wolke mit flaumigem Blunzen-Grießknödel, nur ganz zart rauchig, sanft und heiß, idealer Trost, wenn der Frost am Fenster kratzt.

Von hier und von dort

Geröstete Rehleber mit großen, saftig mineralischen Cranberrys ist dann überhaupt der Wahnsinn: große Happen zarter, kraftvoll gerösteter Leber in süßem Schalottensaftl, innen rosa, fast cremig, dazu knusprige Erdäpfelgrammeln – wunderbar direkte, ungekünstelte Küche, die von der Umgebung erzählt. Aber Kolm hat die weite Welt mindestens so gut drauf: Irrsinnig süße, knackige Kaisergranaten badet er in einer Bisque, die die aromatische Wucht der Krustentiere ins wahrhaft Noble überträgt – große Klassik, wie man sie in der Hauptstadt lange suchen muss.

Ganz eigene Erwähnung verdient der Käse, den Kolm von "Käseheldin" Eva Scharnagl in Krems bezieht: Es gibt nur ganz wenige Top-Restaurants im Land, die Käse von annähernd vergleichbarer Qualität und Reife in der Hinterhand haben. Wer immer noch meint, dass der Großtopfen, den Frankreichs Promi-Affineur Bernard Antony vorzugsweise ins Alpenland karren lässt, als ernsthaft gereifter Käse gelten darf, sollte sich schleunigst nach Krems verfügen. Oder nach Arbesbach. (Severin Corti, RONDO, 18.2.2022)

Weitere Kritiken von Severin Corti