Egal ob Luft-, See- oder Bahnfracht: Der Krieg in der Ukraine treibt Logistikern die Schweißperlen auf die Stirn.

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Die ÖBB Rail Cargo Group transportierte noch 2021 rund 4,4 Millionen Tonnen Güter in der jetzigen Krisenregion. Aktuell geht aber kaum etwas. Die Suche nach Alternativen läuft, wie Unternehmenssprecher Bernd Winter sagt: "Chinesische Warenströme werden aktuell über Belarus und Polen umgeleitet." An einer Alternativroute von China über die Türkei werde gearbeitet.

Auch bei der Österreichischen Post läuft die Suche: "Nach Russland können seit der Sperre des Luftraums keine Sendungen abgeleitet werden, hier arbeiten wir an alternativen Transportwegen", sagt Post-Sprecher Markus Leitgeb. Seit dem 9. März sei aber zumindest teilweise der Transport von Briefen und Paketen in die Krisenregion wieder möglich: Die ukrainische Post stelle in allen Landesteilen zu, die derzeit nicht Teil der Kampfhandlungen sind – das sei aktuell noch circa die Hälfte des Staatsgebiets.

Bei DB Schenker steht der Betrieb in der Ukraine derzeit völlig still – die Sicherheit der rund 90 Mitarbeiter im Land gehe vor, heißt es von Unternehmensseite: "Wir haben unsere Logistikaktivitäten in der Ukraine eingestellt. Wir bewerten die Lage täglich neu, um auf wechselnde Gegebenheiten vorbereitet zu sein." Auch bei Gebrüder Weiss ruhen im Moment zudem die Seefrachttransporte nach Russland. Bei den sehr eingeschränkten Bahn- und Lkw-Transporten gibt es nun noch zusätzlichen Papierkram: Für alle Transporte nach Russland verlangt man wie andere Logistikunternehmen zur Absicherung Ausführ- und Freistellungserklärungen.

Alternative Frachtrouten

"Wir sind zutiefst besorgt angesichts der Entwicklungen, beobachten die Situation sehr genau und bieten bereits Alternativlösungen für Transporte zwischen Asien und Europa an", sagt Cargo-Partner-Geschäftsführer Stefan Krauter. Aktuell sind die Lieferungen in drei Länder deshalb völlig eingestellt: "Wir können angesichts der jüngsten Ereignisse und der verhängten Sanktionen derzeit keine Sendungen von und nach Russland und Belarus annehmen. Wegen der Kampfhandlungen und der unübersichtlichen Lage transportieren wir auch keine Güter in die Ukraine."

Auch beim Transit hält Cargo Partner es für angebracht, alternative Frachtrouten zu wählen. Die Rechtslage sei zudem unklar und könne sich aktuell schnell, sogar während des Transports, ändern. Es sei noch damit zu rechnen, dass die russische Seite ebenfalls Sanktionen verhänge. Das alles macht Krauters Geschäft derzeit nicht leicht: "Wir haben bis vor kurzem noch, neben den Komplettcontainern, bis zu 30 Stück 40 Fuß High-Cube-Sammelcontainer pro Woche von China nach ganz Europa abgewickelt." Das gehe nun nicht mehr.

Angespannte Preissituation

Cargo Partner transportiert seine Luftfracht wie andere nun über Indien und die Türkei. Aufgrund der längeren Flugdauer führe das laut Krauter aber zu einer Verknappung von Fluggerät und einer weiteren Verteuerung der Flugraten. Somit verschärft der Ukraine-Krieg die ohnehin kritische Situation im Transportgeschäft: "Bereits vor dem Konflikt gab es beträchtliche Kapazitätsengpässe im globalen Transport- und Logistiksektor. Die angespannte Lage wird sich deshalb weiterhin prolongieren, beispielsweise aufgrund der hohen Ölpreise. Doch auch Risikozuschläge und höhere Transportversicherungen sind bereits ein Thema."

Bei Quehenberger Logistics stimmt man in den besorgten Branchenchor ein: "Wir sind direkt betroffen, weil wir in allen involvierten Ländern eigene Organisationen haben", erzählt der operative Geschäftsführer Klaus Hrazdira. An den acht Standorten in Russland sowie den Niederlassungen in Kiew, Odessa, Minsk und Homel beschäftigt man rund 500 Mitarbeiter.

In Russland laufen die Geschäfte vorerst weiter, da man hier weniger mit Import/Export beschäftigt sei. Jedoch spielt auch hier die sich ständig verändernde Sanktionsthematik eine große Rolle. In der Ukraine ist der Betrieb ausgesetzt. Man sei mit den Mitarbeitern in Kontakt. "Sofort bei Kriegsausbruch haben wir an alle ein zusätzliches Monatsgehalt ausbezahlt", sagt Hrazdira.

Fahrermangel

Eine weitere Auswirkung des Krieges: Quehenberger beschäftigt zahlreiche ukrainische Lkw-Fahrer, die nun fehlen, weil sie in die Heimat zurückgekehrt sind. Das ist aber auch bei anderen Unternehmen der Fall. Somit vergrößert die vom Krieg ausgelöste Remigration ein weiteres, schon länger bestehendes Problem – wie auch Sebastian Kummer vom Institut für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien bestätigt: "Wir haben in Europa viele Lkw-Fahrer, die aus der Ukraine stammen. Daher verschärft der Krieg den bestehenden Fahrermangel noch zusätzlich."

Darüber hinaus stelle sich für die Transportbranche wie für die Gesamtwirtschaft die bange Frage, ob der Konflikt eine Rezession auslösen werde: "Bislang war die Herausforderung, das Wachstum zu managen. Im Fall einer Rezession würde es dann aber darum gehen, wie man die Kosten herunterfährt." Was in der aktuellen Preissituation alles andere als einfach sei.(Johannes Lau, 16.3.2022)