Der Krieg im Jemen hat eine der schlimmsten humanitären Krisen weltweit zur Folge.

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Sanaa – Nur Stunden nach dem Beginn einer Waffenruhe im Jemen haben die Konfliktparteien sich gegenseitig einen Bruch der Vereinbarung vorgeworfen. Die Houthi-Rebellen hätten Ziele in der umkämpften Provinz Marib angegriffen, teilte die jemenitische Armee am späten Samstagabend bei Twitter mit. Die Houthi-nahe Nachrichtenagentur Saba berichtete unter Berufung auf Militärkreise, das von Saudi-Arabien angeführte Militärbündnis habe mehrfach Stellungen der Houthi angegriffen.

Die Einigung auf eine zunächst zwei Monate lange Waffenruhe hatte Hoffnung auf eine vorübergehende Pause der Gewalt im dem Bürgerkriegsland geweckt. Sie trat landesweit am Samstagabend in Kraft, zeitgleich zum Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Nach UN-Angaben vereinbarten die Beteiligten unter anderem, alle Militäroffensiven in der Luft, am Boden und auf See auszusetzen. Zudem sollten Treibstoff-Lieferungen über den Hafen von Hudaida und kommerzielle Flüge über die Hauptstadt Sanaa vorübergehend ins Land gelassen werden.

Stellvertreter Krieg

In dem stark verarmten Land auf der Arabischen Halbinsel kämpft ein von Saudi-Arabien angeführtes Militärbündnis seit 2015 an der Seite der Regierung gegen die Houthi-Rebellen. Riad sieht in ihnen einen verlängerten Arm seines Erzfeinds Iran und will dessen Einfluss im südlichen Nachbarland zurückdrängen. Die Houthis beherrschen Sanaa und weite Gebiete im Norden. Zudem greifen sie mit Raketen und Drohnen immer wieder Ziele in Saudi-Arabien an.

Das Militärbündnis habe seit Beginn der Waffenruhe 34 Mal gegen die Vereinbarung verstoßen, berichtete Saba. Die Koalition habe Stellungen der Houthis in zwei Provinzen "intensiv bombardiert". Der saudische Fernsehsender "Al-Hadath" berichtete am Sonntag, die Houthis hätten in den zehn Stunden nach Beginn der Waffenruhe sechsmal in der Provinz Marib angegriffen.

Die Waffenruhe halte nicht, schrieb Sozialforscher und Jemen-Experte Munir al-Umari auf Twitter. "Der Jemen wird keinen Frieden oder Stabilität erleben, so lange die (Houthi-)Milizen über militärische und finanzielle Macht verfügen." Alle diplomatischen Bemühungen, den Konflikt beizulegen, blieben bisher erfolglos.

Wegen des verheerenden Bürgerkriegs und dessen Folgen sind inzwischen 80 Prozent der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen – mehr als 20 Millionen Menschen. Dem Analyseprojekt ACLED zufolge wurden seit Kriegsbeginn mehr als 150.000 Menschen getötet, darunter mehr als 14.000 Zivilisten. "Der Krieg hat eine der schlimmsten humanitären Krisen weltweit befeuert, staatliche Einrichtungen fast zum Kollaps gebracht, die menschliche Entwicklung um zwei Jahrzehnte zurückgeworfen sowie Frieden und Sicherheit in der Region bedroht", sagte UN-Generalsekretär António Guterres. (APA, 3.4.2022)