Es ist vielleicht die romantischste Lage der Welt: "Wenn man auf die Straße geht und 20 Schritte nach rechts macht, taucht der Eiffelturm über den Dächern auf", erzählt Petra Lambert. Fünf Minuten dauere es zu Fuß zum bekanntesten Wahrzeichen der Welt.

Altbau-Flair gibt es in Wien (im Bild) und in Paris, die Preise unterscheiden sich aber deutlich.
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Das macht das Grätzel im siebten Arrondissement von Paris zu einem teuren Pflaster. So wie den Rest der Stadt: Schon 2019 überstieg der durchschnittliche Quadratmeterpreis an der Seine die Grenze von 10.000 Euro. Durch die Pandemie und niedrige Zinsen wurde der Run aufs Betongold weiter angeheizt.

Das hat auch Petra Lambert, deren richtiger Name von der Redaktion geändert wurde, bemerkt. Die Wohnung, die vor Jahrzehnten ihre Großeltern dank einer netten Eigentümerin erst erschwinglich mieten und schließlich kaufen konnten, ist mickrige 40 Quadratmeter groß. Sie liegt im dritten Stock eines klassischen Pariser Altbaus, ohne Aufzug, ohne richtiges Badezimmer.

Ab auf Airbnb

"Die Wohnung war in einem miserablen Zustand", sagt Lambert. Sie entschied sich, die Wohnung zu verkaufen. Vor wenigen Monaten wurde sie um 500.000 Euro verkauft. Damit lag der Quadratmeterpreis für die Sub-Standardwohnung bei 12.500 Euro. Mittlerweile wurde die Wohnung renoviert und ist auf Airbnb gelandet. Mindestaufenthaltsdauer: 30 Tage. Kosten: 4800 Euro.

Hier werden künftig keine Familien mehr leben, sondern Businessreisende und sehr gut betuchte Langzeiturlauber – so wie auch in vielen anderen Wohnungen in dem Viertel. Wohnungen sind in Paris zum Anlageobjekt geworden: Je nachdem, welche Parameter mit einbezogen werden, ist Paris eine der teuersten Städte der Welt zum Wohnen. Immer wieder sorgen Medienberichte über Mieterinnen und Mieter international für Aufsehen, die auf drei oder fünf Quadratmeter Fläche wie in einer Schuhschachtel wohnen.

In vielen Pariser Vierteln sind in den letzten Jahren die Lichter in Airbnb-Wohnungen ausgeblieben.
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Solche Berichte sorgen in Wien für Stirnrunzeln. Aber die Pariser Entwicklungen sind auch in der Hauptstadt nicht mehr ganz fremd, wo in den letzten Jahren immer kleinere Neubauwohnungen gebaut wurden. Und auch hier wurden Wohnungen seit der Finanzkrise als Anlageobjekte erkannt. Zuletzt wurden ganze in Bau befindliche Wohnhäuser von Investorinnen und Investoren aufgekauft.

Steil bergauf

In Wien ist es überhaupt mit den Immobilienpreisen in den vergangenen Jahren so steil bergauf gegangen wie in wenigen anderen Metropolen. Das Maklerunternehmen Otto Immobilien hat erst vor wenigen Tagen Zahlen zur Preisentwicklung von gebrauchten Eigentumswohnungen veröffentlicht. Der Durchschnittspreis liegt bei mehr als 4700 Euro pro Quadratmeter, seit 2010 seien die Preise in keinem Jahr stärker gestiegen als 2021. Im Neubau liegen die Preise im Wien-Schnitt bei fast 5800 Euro pro Quadratmeter. Europaweit hat Österreich laut dem Deloitte-Property-Index aus dem Vorjahr den höchsten durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 23 untersuchten europäischen Ländern.

Die Leistbarkeit von Wohnen ist somit auch in Wien zum Thema geworden. Dabei galt die Stadt mit ihrem sozialen Wohnbau jahrzehntelang als Best-Practice-Beispiel. Heute noch kommen Delegationen aus der ganzen Welt, die stolz durch die Gemeindebauten des Roten Wiens geführt werden. Dazu kommen die im Altbau gedeckelten Mieten und das tendenziell mieterinnenfreundliche heimische Mietrecht. Doch die Preisentwicklungen am boomenden freifinanzierten Wohnungsmarkt konnten damit, wenn überhaupt, nur abgefedert werden.

Internationales Niveau

Expertinnen und Experten betonen aber auch, dass die Preise in Wien lange sehr günstig waren, sie sich zuletzt also an ein internationales Niveau angepasst haben. Von Preisen wie in Paris sei man weit entfernt, betont etwa der Ökonom Michael Klien vom Wifo. Er selbst habe zwei Jahre lang in der Metropole an der Seine gelebt, auf 20 Quadratmetern und um 1000 Euro Miete pro Monat.

Doch der bloße Vergleich von Quadratmeterpreisen greift zu kurz. Ein Faktor: Paris ist neben London die wohl am stärksten international ausgerichtete Stadt Europas und ist allein deshalb mit Wien schwer vergleichbar. Zudem leben im Ballungsraum Aire de urbaine de Paris über zwölf Millionen Menschen und damit deutlich mehr als in ganz Österreich. Eine Stunde ins Büro pendeln? In Paris nichts Ungewöhnliches.

Auch Aussagen über die durchschnittliche Wohnungsgröße, die bei Vergleichen unterschiedlicher Städte gern herangezogen werden, greifen zu kurz. In London dominiert zum Beispiel laut einer Studie der Arbeiterkammer (AK) von vor wenigen Monaten die großzügigere Wohnform des Doppelhauses. In Paris und Wien sind es wiederum Mehrparteienhäuser. Pro Kopf stehen in Wien im Schnitt 31, in Paris 28 Quadratmeter zur Verfügung.

Unterschiedliche Belastung

Was zudem häufig bei internationalen Vergleichen zu kurz kommt, ist die jeweilige Einkommenssituation. "Im Endeffekt", sagt Michael Klien, "geht es darum, wie viel man verdient und wie viel einem nach Abzug der Wohnkosten noch zum Leben bleibt."

Diese Kostenbelastung ist auch in Wien gestiegen, sie liegt aber im Vergleich zu anderen Städten immer noch auf einem niedrigen Niveau. Das ging auch aus der AK-Studie hervor, für die Berlin, Hamburg, London, Paris und Wien verglichen wurden. Laut der Studie muss in Wien fast die Hälfte der Miethaushalte 25 Prozent des Haushaltseinkommens für Wohnkosten aufwenden. In Paris sind es bereits zwei Drittel, die so viel aufbringen müssen.

Insgesamt habe Wien in der AK-Studie gut abgeschnitten, sagt Justin Kadi, TU-Wohnungs- und Stadtforscher und einer der Studienautoren. Man merke, dass der hohe Anteil an sozialen Wohnungen hohe Preise abfedern kann. In Wien sind 43 Prozent der Wohnungen diesem Segment zuzuordnen, in Paris sind es 21 Prozent. Allerdings: "Die Situation spannt sich auch in Wien zunehmend an", betont Kadi. Wien ist zwar nicht Paris. Aber Wien beschreitet laut Kadi Pfade, "die auch andere Städte beschritten haben".

Verschiedene Lösungsansätze

In einer globalisierten Welt sind die Herausforderungen für die Metropolen ähnlich. Doch die Lösungsansätze unterscheiden sich, etwa was die Wohnpolitik angeht. In Wien geschehe das etwa in Form der 2019 eingeführten Widmungskategorie geförderter Wohnbau, sagt Kadi.

Und in Paris? Auch hier gibt es immerhin Versuche, der davongaloppierenden Preise Herr zu werden. 2015 wurde für Paris beispielsweise eine Mietpreisbremse eingeführt, die später allerdings gekippt wurde.

Wohnen bleibt also ein heißes Thema: "Früher saß ich mit meinem Bruder manchmal auf dem Dach des Hauses, und wir haben ein Bier getrunken – mit Blick auf den Eiffelturm", sagt Petra Lambert. Heute muss sie sich eine andere Bleibe suchen, wenn sie in der Stadt ist. Der Blick auf den Eiffelturm ist eben unbezahlbar. (Thorben Pollerhof, Franziska Zoidl, 26.4.2022)