Es war eine zähe Geschichte, aber nun wird von Entwickler 6B47 am Althan-Quartier beim bzw. über dem Wiener Franz-Josefs-Bahnhof gebaut. Am Mittwoch fiel dazu der offizielle Startschuss, samt goldenem Konfetti, Ansprachen der Vertreter von 6B47 und der beteiligten Architekturbüros sowie der Bezirksvorsteherin von Wien-Alsergrund, Saya Ahmad (SPÖ), und dem Song "We built this City", der zum Konfettiregen aus den Lautsprechern dröhnte.

Fotos: Putschögl

Die Geschichte des Standorts ist rasch zu erzählen, sofern man erst in den 1970er-Jahren beginnt: 1974 wurde der alte Franz-Josefs-Bahnhof abgerissen, unter Federführung des Architekten Karl Schwanzer wurde eine Überplattung geschaffen, die in ihren Dimensionen auch heute noch erstaunt und beeindruckt. Sowohl was die Geometrie, den Zuschnitt als auch die Nutzungsmöglichkeiten betreffe, sei man hier mit "unglaublichen Qualitäten" konfrontiert, schwärmte Josef Weichenberger (JWA), der nun gemeinsam mit dem Büro Delugan Meissl die Revitalisierung plante, beim Baustart-Event am Mittwoch.

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Der "große Wal", der den Bezirk trenne, werde nun zu einem Stadtquartier mit Büros, Coworking, Wohnungen, Geschäften, Gastronomie, Kunst und Kultur umgestaltet, sagte 6B47-Vorstandschef Sebastian Nitsch. "Quartier", das sei nämlich das Wort der Stunde in der Immobilienentwicklung. Herzstück des Projekts ist gleichwohl das Gewerbeprojekt "Francis" mit rund 40.000 Quadratmetern an vermietbarer Bürofläche sowie Geschäften und Gastronomie auf der "Plaza" über dem Bahnhof. Dazu gesellen sich zwei neue Wohngebäude in der Nordbergstraße ("Joseph" und "Sophie"), ein Hotel und eine Garage.

Ursprünglich hätte man hier durchaus höher bauen wollen, doch ein städtebaulicher Vertrag mit der Stadt kam nicht zustande, scheiterte am leistbaren Wohnraum, den die Stadt für die höhere Widmung forderte. Man blieb also in der vorhandenen Widmung.

Foto: 6B47

Es gebe aber ohnehin "kein größeres Haus in Wien", meinte Nitschs Vorstandskollege Friedrich Gruber bei der Begehung des Komplexes. Der von Schwanzer erdachte konstruktive Raster von zehn mal zehn Metern sei einzigartig. So bringe man im markanten "Glaskobel" mit einer Länge von 110 Metern allein auf der größten Etage 7000 Quadratmeter an Büroflächen unter, was für sich schon ein mittelgroßes Projekt am Wiener Büromarkt wäre.

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Schon vor der nun gestarteten "Konversion", nämlich von 1978 bis 2018, war der "Glaskobel" am Julius-Tandler-Platz ein Bürogebäude, genutzt hauptsächlich von der Bank Austria. Sie bezog 2018 den neuen Austria Campus beim Praterstern.

In acht Geschoßen (dritte bis zehnte Etage) wird es ab 2024, wenn die Pläne halten, also wieder Büroflächen geben, wobei die letzten drei neu gebaut werden: Ganz oben wird gerade noch abgebrochen, drei Neubaugeschoße werden dann draufgesetzt. Ab dem sechsten Obergeschoß werden die Büroflächen auch Außenbereiche aufweisen.

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Dass bei so einer Baustelle natürlich "überall Überraschungen lauern", sei klar, sagte Architekt Weichenberger. Der gesamte Komplex wurde allerdings in den vergangenen Jahren digitalisiert, es wurde also ein sogenannter "digitaler Zwilling" geschaffen, mit dem man dann die Planungen per Building Information Modeling (BIM) durchführen konnte, erklärte Nitsch.

Fotos: Putschögl

Bezirksvorsteherin Ahmad freute sich über "die Begrünung und die Durchwegung", die der Entwickler hier vereinbarungsgemäß schaffen wird. Der "große Wal" sollte also in zwei Jahren durchlässig sein, die Trennung des Bezirks damit aufgehoben. Gleichzeitig wird der Bezirk Geld in die Hand nehmen, um den Julius-Tandler-Platz neu zu gestalten. Man wird sehen, wie das dann von der Bevölkerung tatsächlich auch angenommen wird. (Martin Putschögl, 29.4.2022)

Nachlese

Abbrucharbeiten: Aus Wiener Franz-Josefs-Bahnhof wird Francis

Keine Sozialwohnungen am Julius-Tandler-Platz

Fotos: Putschögl