Wann soll der Kunde beliefert werden? Kann die Lieferung mit anderen zusammengelegt werden? Ein neues System zur Lagerüberwachung soll helfen, diese Fragen zu beantworten.

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Großhändler sind zunehmend mit dem Wunsch konfrontiert, das belieferte Lager beim Kunden gleich selbst zu managen. "Bei Einzelhandelsketten ist diese Praxis des lieferantengeführten Bestands bereits gängig. Im Business-to-Business-Bereich ist sie dagegen noch weniger ausgeprägt. Dienstleistungen dieser Art werden aber wichtiger", sagt Thomas Tritremmel, der selbst aus der Großhandelslogistik kommt.

Das Problem dabei: Die softwarebasierten Lagerhaltungssysteme, die aktuelle Bestände überwachen, sind teuer und betreuungsintensiv. Gerade günstige oder kleinteilige Artikel werden deshalb weniger gut erfasst.

Diese Überlegungen waren der Startschuss für das Start-up Tedalos, das der Logistiker gemeinsam mit zwei Kollegen 2016 ins Leben rief. Sie führten zur Entwicklung einer Technologie, die eine automatische Überwachung einfach umsetzen lässt – egal, ob die Waren sich im Kundenlager, auf einer Baustelle oder im Container auf dem Transportweg befinden.

Über das Gewicht erfassen

Dabei stehen Produkte im Fokus, für die es in Industriebetrieben oft keinen kontrollierten Zugriff gibt, etwa Schrauben, Kabel oder Schmierstoffe. Niedrige Lagerstände werden hier leicht übersehen. Die Waren sind zwar kein großer Kostenfaktor. Sind sie aber nicht da, wenn man sie braucht, kann das zu umso teureren Produktionsstillständen führen.

Das erste Produkt von Tedalos ist ein System, das diese Waren über ihr Gewicht laufend genau erfasst: Ein U-förmiges Gerät wird Palletten oder Kisten untergestellt und wiegt laufend die Belastung. "Integrierte Computerintelligenz entscheidet, wann eine Meldung mittels der integrierten Funkmöglichkeiten übermittelt wird. Eine Batterie versorgt die Geräte bis zu fünf Jahre mit Energie", beschreibt Tritremmel.

Eine dahinterliegende, von Tedalos gemanagte Cloudlösung mit Webinterface macht die Daten und aufbauende Auswertungen überall zugänglich. Dort richten Kunden ihre Sensoren auch ein, ordnen Bezeichnungen und Produktgewichte zu und wählen passende Benachrichtigungsoptionen. Jeder Kunde soll das System selbst ganz einfach in Betrieb nehmen können.

Plug-and-Play-Lagersystem

Tritremmel hebt den Vorteil dieser Plug-and-Play-Philosophie im Vergleich zu bestehenden Systemen hervor: "Man braucht keine Strom- oder Datenleitungen, ist räumlich nicht eingeschränkt, und es ist keine EDV-Implementierung notwendig." Softwarebasierte Lösungen brauchen zudem meist regelmäßige Aktionen von Lagermitarbeitern, die Bestände per Handscanner oder Handy-App registrieren. In Zeiten hoher Personalfluktuationen und -ausfälle bedeutet der Wegfall dieses Schritts eine Zunahme an Sicherheit.

Die vergangenen Jahre haben dem Start-up deshalb auch einigen Rückenwind gebracht. "Als Digitalisierungsunternehmen sind wir ein Pandemiegewinner", sagt Tritremmel. Wenn Personal weniger gut verfügbar ist, Lieferzeiten länger werden und teure Produktionsausfälle drohen, sei es gut, die Lagerbestände "wie eine Tankanzeige im Auto" mitverfolgen zu können, betont der Gründer.

Die mit Sicherheit zeitgerechte Nachbestellung – oder gleich ein lieferantengeführter Bestand – auf Basis der Technik könne Lagerkapazitäten einsparen, weil keine großen Reserven gehortet werden müssen. "Das Pufferlager wandert zum Lieferanten", sagt Tritremmel. "Gerade bei Händlern mit einem größeren Liefergebiet, die hunderte Kilometer Fahrtstrecke zu ihren Kunden haben, spielt die Lösung ihre Stärken aus." Bereits jetzt seien bei den Tedalos-Kunden durch das System sieben Prozent der Fahrten eingespart worden. Auch Anbindungen an digitale Logistikplattformen oder Warenwirtschaftssysteme seien möglich.

Baustelleneinsatz

Doch auch außerhalb klassischer Lagerlösungen finden sich Anwendungen. Der Gründer hebt Materialien hervor, die auf Baustellen abgestellt sind. Diebstähle sind dort nicht selten. Stellt man etwa die Trommel mit den zu verlegenden Kupferkabeln auf einen Sensor, wird der Schwund aber zumindest sofort entdeckt. So kann verhindert werden, dass die Baustellenarbeit steht, weil Material fehlt und erst nachbestellt werden muss.

Ähnliches gilt bei Warenlieferungen, die mehrmals umgeschlagen werden. Bei Fehlmengen lässt sich hier schwer nachvollziehen, wo und wann etwas weggekommen ist – selbst wenn die Route per GPS getrackt wird. "Diese Informationslücke in der bewegten Logistik können wir schließen", sagt der Gründer. Die Sensoren werden auch hier einfach in Pakete, auf Paletten oder unter Container gelegt und übermitteln Daten via Mobilfunk.

Relationen erkennen

Tedalos, das heute zwölf Mitarbeiter zählt, versendet seine Lagersensoren mittlerweile auch ins Ausland – von Schweden bis Neuseeland. "80 Prozent unserer Kunden kommen aus einer technischen Großhandelslogistik, etwa aus den Bereichen Chemie, Verpackung oder Maschinenbau", zählt Tritremmel auf.

Künftig sollen weitere Sensortypen, die Distanzmessungen oder Bilddaten auswerten, dazukommen. Zudem arbeitet man an der Umsetzung von Konzepten einer Predicitive Supply Chain. Lagerstandsdaten werden dabei per künstliche Intelligenz systematisch ausgewertet. "Lieferanten sollen weit im Voraus planen können, was der Kunde brauchen wird", erklärt der Unternehmer.

Der Blick in die Zukunft erlaubt, Transporte besser zu bündeln und effizienter zu gestalten. Gleichzeitig sollen Muster im Bedarf erkannt werden. Das System erkennt dann nicht nur, welche Schrauben und Beilagscheiben zusammengehören, sondern auch weniger auffällige Relationen – etwa dass die Lieferung von Sägeblättern auch den Verbrauch an Schutzhandschuhen oder Wundpflaster erhöht. (Alois Pumhösel, 18.5.2022)