Der Schrebergarten ist eine private Wohlfühloase mitten in der Stadt.

Foto: Werner Dedl

Oma und Opa waren stets bemüht, ihren kleinen Flecken Grün inmitten des städtischen Trubels nahe ans Idyll zu rücken. "Herrlich", "so entspannend" hallte da uns Enkelkindern gern und oft entgegen. Aber wie so oft war auch die Wahrheit in Grün eine andere. Wann immer meine Großeltern die kleine Wohnung mit dem Rad in Richtung Schrebergarten verließen, war eine Mischung aus Arbeit, falscher Freundlichkeit zum Laubennachbarn und unbedingtem Gehorsam dem Vereinsobmann gegenüber angesagt. Doch mit Blick auf die mit Zucchini, Tomaten und Gurken prallgefüllten Taschen wusste man stets, warum man sich den strengen Statuten unterwarf.

Oder um es mit den Worten des Autors Wladimir Kaminer zu sagen: Eine Schrebergartenparzelle ist ein Versuch, den Garten Eden im Maßstab eins zu zehn Millionen nachzubauen. Der Mensch und sein Scheitern im Garten.

Echte "Hüttengaudi": Familie Wahlmüller hat ihr Glück im Grünen gefunden.
Foto: Werner Dedl

Erholungsfaktor

Doch das grüne Paradies im Großstadtdschungel erfreut sich damals wie heute großer Beliebtheit. Längst aber liegt der Fokus heute nicht mehr ausschließlich auf der Selbstversorgung, sondern vielmehr steht die Erholung im Vordergrund.

Im Zentralverband der Kleingärtner sind derzeit fünf Landesverbände (Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark) mit rund 400 Vereinen und mehr als 40.200 Mitgliedern und ihren Familien organisiert. Und nicht wenige Grünkommunen haben mehr Einwohner also manches Dorf in Österreich. Auf der Wasserwiese im zweiten Bezirk Wien etwa leben ganzjährig oder temporär bis zu 1.700 Bewohner.

Die Anmeldung für frei gewordene Parzellen ist nur beim jeweiligen Verein möglich. Dieser hat in der Regel bei Pachtgründen gegenüber dem Zentralverband ein Vorschlagsrecht. Grundstückseigentümer ist meist die Gemeinde. Diese verpachtet an den Zentralverband, die Landesverbände oder die Vereine. Für die einzelnen Parzellen werden dann Unterpachtverträge abgeschlossen. Angehörige haben bei der Vergabe ein Vorrecht.

Der Kleingarten als 320 Quadratmeter großes Idyll inmitten des hektischen Stadtlebens: Das selbstgebaute Hochbeet war eines der jüngsten "Projekte" von Neoschrebergärtner Clemens Wahlmüller. Gefolgt von einem im Erdreich versenkbaren Bierkühler.
Foto: Werner Dedl

Lange Wartezeiten

Grundvoraussetzung ist ein hohes Maß an Geduld. In Salzburg etwa liegen die Wartezeiten bei bis zu acht Jahren. In Oberösterreich kann man oft nach zwei Jahren den Spaten schwingen.

Das Bild vom pensionierten Zwergerlhüter, der den strengen Obmann mit Obstler besänftigt und dem Wildwuchs mit der Nagelschere gegensteuert, stimmt längst nicht mehr. Heute sind es oft junge Familien, die ihr Glück im Gartenparadies suchen. Regeln gibt es – und jeder Neuankömmling erhält die Gartenordnung: keine Nadel- und Nussbäume, maximale Wuchshöhe von vier bis fünf Metern. Die Hecke rund 1,50 Meter – der Kontakt zum Nachbarn muss sein. Bebaut darf eine bestimmte Fläche werden, ganzjähriges Wohnen ist nur in Wien fallweise erlaubt.

Linz-Ost Sektion fünf. Dort, wo einst der Opa unter Omas strenger Aufsicht den Spindelmäher pilotierte, hat sich auf den ersten Blick wenig verändert. Ein Schotterweg führt von einem Einkaufszentrum weg hin zu einem Parkplatz unter der Autobahnbrücke, ein schmaler Fußweg entlang eines Verschubterminals der ÖBB direkt ins Paradies. Hier hat Familie Wahlmüller im Vorjahr ihr grünes Glück gefunden. Den Traum vom eigenen Garten haben Clemens und Veronika, die mit ihren Kindern Julia und Annika und Hund Henry in einer Wohnung in Leonding leben, schon länger geträumt. "Doch irgendwie war nie das Passende dabei. Mal war es der Preis, mal die Lage", erzählt Veronika Wahlmüller.

Doch dann der Glücksfall: Über eine Anzeige wird man auf das 320 Quadratmeter große Areal aufmerksam. Die Familie ist begeistert – und die Vorbesitzer, Nachbarn und der Vereinsvorstand von den Wahlmüllers.

Innerstädtische Ruhe

Viele Stunden verbringt man seitdem in dem liebevoll, aber natürlich gestalteten Garten zwischen Zwergen – "eine Reminiszenz an meinen Opa" (Veronika Wahlmüller) – unter dem Apfelbaum, im Pool oder auf der gemütlichen Couch auf der Terrasse vor der Gartenhütte. Rund 1.000 Euro an Pacht muss man dafür jährlich zahlen. Strom und Kanal inklusive. "Es ist eine absolute Ruheoase. Wir kriegen von der Bahn oder den Autos nichts mit. Und wenn dir das Bier ausgeht, kannst zu Fuß zum Supermarkt gehen", nennt Clemens Wahlmüller die Schrebergartenvorteile.

Durch die zentrale Lage nutze man den Garten auch. "Da fahre ich mit der Vespa in der Mittagspause her und hüpf schnell in den Pool", ist der Familienvater begeistert. Und man habe sich rasch eingelebt. "Wir sind keine Vereinsmeier und haben auch keinen grünen Daumen. Aber man lernt dazu. Und es sind alle unglaublich nett. Das Bild vom strengen Kleingartenregime ist längst überholt. Es ist einfach nur ein Traum. Unser Gartentraum", ist Veronika Wahlmüller überzeugt. (Markus Rohrhofer, 8.7.2022)