Um an sein Geld zu kommen, hielt ein Mann in einer libanesischen Bank stundenlang mehrere Geiseln fest.

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Im Beiruter Stadtteil Hamra hat am Donnerstag ein Mann eine Schusswaffe in einer Bank gezückt und damit mehrere Bankangestellte bedroht. Seine Forderung: dass sie ihm das Geld auf seinem Konto – Erspartes in Höhe von 200.000 Dollar – aushändigen. Im Anschluss hielt er mehrere Geiseln bis zu sieben Stunden fest – bis eine Einigung mit der Bank erzielt wurde: Der Libanese erhielt nach ersten Berichten 30.000 Dollar.

Der Mann war gegen die Mittagszeit in das Bankfoyer eingetreten und hatte um die Auszahlung seiner Ersparnisse gebeten. Als ihm dies verweigert wurde, gab der Mann laut Berichten bis zu drei Warnschüsse ab und schrie, dass er das Geld für die Begleichung von Spitalskosten seiner Angehörigen brauche. Der staatlichen Nachrichtenagentur NNA zufolge drohte er damit, sich mit Benzin anzuzünden, sollte ihm das Geld nicht ausgezahlt werden.

Der Mann hielt im Anschluss stundenlang sechs Geiseln fest: fünf Angestellte und einen Kunden. Einen älteren Mann hatte er zuvor gehen lassen. Am späten Nachmittag waren unter den Geiseln nur mehr der Filialleiter und ein Angestellter.

Gegen 18.30 Uhr meldeten die Sicherheitskräfte, dass eine Einigung erzielt worden sei, und führten den Geiselnehmer ab. Nach vorläufigen Berichten kam keine der Geiseln zu Schaden.

Schulden- und Finanzkrise

Was andernorts zwar kein alltägliches, aber grundsätzlich reguläres Bankgeschäft wäre – die Auszahlung von Erspartem –, ist im Libanon seit rund drei Jahren nicht mehr ohne weiteres möglich: Aufgrund der massiven Schulden- und Finanzkrise, in der das Land seit spätestens 2019 steckt, haben die Banken die Möglichkeiten ihrer Kunden, auf ihr Erspartes zurückzugreifen, eingeschränkt.

Die nationale Währung, die libanesische Lira, hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Weil diese früher fest an den Dollar gekoppelt war, haben viele Libanesen Konten in der US-Währung. Da den Banken im Land jedoch die Dollar-Vorräte ausgehen, können die Libanesen nur noch sehr begrenzt US-Dollar von ihrer Bank abheben. Wer Geld abheben will, muss also stark geschwächte libanesische Lira abheben – und den schlechten Wechselkurs der Bank akzeptieren.

Dies ist einer der Gründe, warum inzwischen auch ein Gros der libanesischen Mittelschicht von Not und Armut bedroht ist. Viele Grundbedürfnisse, wie etwa Spitalsbesuche oder Ausbildungsplätze, müssen weiter in Dollar bezahlt werden. Der Großteil der Bevölkerung lebt nunmehr unter der Armutsgrenze. Die Krise ist überall zu spüren. So müssen die meisten Haushalte mit nur wenigen Stunden Strom am Tag auskommen. Auch die Wasserversorgung bricht regelmäßig zusammen.

Solidarität mit Bankräuber

Bei der Beiruter Bankfiliale versammelten sich am Donnerstag nicht nur Einsatzkräfte, sondern auch zahlreiche Menschen, die ihre Solidarität mit dem Täter ausdrückten. Viele Libanesen werfen der politischen Elite des Libanon massive Korruption vor und machen sie für die wirtschaftliche Lage verantwortlich. "Unser korruptes System hat den armen Mann dazu gebracht, so etwas zu tun", sagte eine Frau vor Ort laut APA-Bericht. Eine libanesische Journalistin berichtet, dass ein Restaurant dem Geiselnehmer aus Solidarität gratis Essen geliefert habe.

Der aktuelle Vorfall ist nicht der erste seiner Art: Im Winter wurde ein Cafébesitzer im Osten des Landes als Held gefeiert, nachdem es ihm gelungen war, 50.000 Dollar abzuheben. Davor hatte er allerdings mehrere Bankangestellte mit Benzin übergossen und gedroht, sie anzuzünden. (Flora Mory, Reuters, APA, 11.8.2022)