Odinga war am Montag in Nairobi zu sehen.

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Nairobi – Nach der Präsidentenwahl in Kenia zieht der unterlegene Politiker Raila Odinga gegen das umstrittene Ergebnis vor Gericht. Die Klage sei am Montag online eingereicht worden, sagte ein Anwalt Odingas im kenianischen Fernsehen. Odinga war Vizepräsident William Ruto bei der Abstimmung Anfang August knapp unterlegen und hatte bereits erklärt, das Ergebnis nicht anzuerkennen.

Odinga wirft der Wahlkommission IEBC Korruption vor. Sein Anwalt sagte, die Kommission sei ein "Sündenpfuhl der Kriminalität". Die Odinga-Fraktion wirft dem IEBC-Vorsitzenden Wafula Chebukati "diktatorisches Verhalten" während der Auszählung vor.

Oberstes Gericht nun am Zug

Laut dem Chef der Wahlkommission stimmten bei der Wahl am 9. August 50,49 Prozent für Ruto und 48,5 Prozent für Odinga. Die Kommission ist aber gespalten: Kurz nach Bekanntgabe weigerten sich vier von sieben Mitgliedern, das offizielle Wahlergebnis anzuerkennen. Die stellvertretende Vorsitzende der Wahlkommission, Juliana Cherera, bezeichnete die Ergebnisse als "absurd". Wahlbeobachter der Afrikanischen Union und der ostafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft IGAD hatten während der Abstimmung hingegen keine Unregelmäßigkeiten festgestellt.

Odingas Anwalt erklärte, die anderen Parteien hätten nach Einreichen der Klage nun vier Tage Zeit für Stellungnahmen. Laut Verfassung muss das Oberste Gericht binnen 14 Tagen nach Eingang der Klage sein Urteil fällen. Wegen der knappen Frist wird in der Regel zunächst eine gemeinsame Entscheidung veröffentlicht, gefolgt von ausführlicheren Einzelbegründungen der sieben Richter.

Den Vorsitz hat Martha Koome, die 2021 als erste Frau für die Spitze des höchsten kenianischen Gerichts ernannt worden war. Die 62-Jährige gilt als integer. Nur Monate nach ihrer Ernennung durch Präsident Uhuru Kenyatta hatte sie weitreichende Verfassungsreformen gestoppt, hinter denen Kenyatta und Odinga standen. Von vielen Beobachtern waren sie als Versuch gewertet worden, Vize-Präsident Ruto auszubooten. In den 80er und 90er Jahren hatte sich Koome einen Namen mit der Verteidigung politischer Gefangener gemacht – darunter Odinga.

Odingas fünfter Anlauf

Es war Odingas fünfter Anlauf für die Präsidentschaft. Er pocht darauf, dass ihm bereits mehrfach der Sieg gestohlen worden sei. 2017 hatte das Oberste Gericht das Wahlergebnis gekippt und eine Neuwahl angesetzt. Diese boykottierte Odinga. Er habe kein Vertrauen in die Wahlkommission, erklärte er damals. Bei der diesjährigen Wahl genoss Odinga die Unterstützung des scheidenden Präsidenten Kenyatta. Dieser durfte nach zwei Legislaturperioden nicht wieder antreten, mit seinem Vizepräsidenten Ruto hatte er sich überworfen.

Die Präsidenten-, Parlaments- und Kommunalwahl galt als wichtiger Test für die Stabilität der größten Volkswirtschaft Ostafrikas, nachdem zwei der vergangenen drei Wahlen nach Streitigkeiten über Manipulationsvorwürfe von Gewalt überschattet worden waren. (APA, Reuters, 22.8.2022)