Dominic Thiem schlägt in Wien auf. Er zählt zwar nicht zu den Topfavoriten, aber ihm ist doch einiges zuzutrauen.

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Herwig Straka hat Visionen, er hofft auf eine rosige Zukunft.

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Es gibt noch gute Nachrichten in dieser aus den Fugen geratenen Welt. Tennis boomt. Das löst zwar weder die Energiekrise noch den Klimawandel, aber es macht Spaß. Zum Beispiel Herwig Straka, dem Turnierdirektor der Erste Bank Open in Wien. Gespielt wird an zwei Schauplätzen, in der Stadthalle und in einem Zelt am Heumarkt. Das war im Vorjahr eine Innovation, sie wird dieses Mal wiederholt. Ob der Heumarkt Zukunft hat, weiß Straka nicht. Die ehrwürdige Stadthalle bleibt, sie versprüht "den Charme der Verstaubtheit". Die Halle selbst, sagt Straka, sei ja völlig okay, der Rest, etwa die Sanitäranlagen, darüber könnte man den Mantel des Schweigens hüllen. Frei übersetzt: Die sind eine Art Notdurft.

Der 56-jährige Straka ist zum 15. Mal Turnierdirektor und zum 14. Mal mit seiner Agentur Emotion Veranstalter. Die Open sind ein ATP-500, zählen zur zweithöchsten Kategorie, die Dotation beträgt 2,5 Millionen Euro. Der Event ist in der Ära Straka gewachsen, das Budget hat sich von fünf auf zehn Millionen verdoppelt. "Selbstläufer ist es keiner, aber das Turnier hat sich etabliert, hat Krisen weggesteckt." Und es wird geschätzt. Die Profis wählten Wien zum besten und schönsten 500er, das ist der Öffentlichkeit zwar ziemlich wurscht, "aber intern ist es wichtig, man fühlt sich geadelt, weiß, dass man vieles richtig macht".

Vorverkauf

Tennis, sagt Straka, sei breiter geworden, die Last werde auf mehrere Schultern verteilt. Die "Big Three", also Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic, stecken im Auflösungsprozess, nach Federers Rücktritt sind es nur mehr die "Big Two". Die zwei Verbliebenen waren übrigens nicht nach Wien zu locken, egal. Der Vorverkauf lief blendend, der Zuschauerrekord aus dem Jahr 2019 (66.700) dürfte fallen. Damals gewann Dominic Thiem.

Vier aus den Top Ten haben genannt, das Feld wird von Daniil Medwedew angeführt. Ihm folgen Stefanos Tsitsipas, Andrej Rublew und Taylor Fritz. Die Dichte bedingt, dass kurzfristige Absagen keine langfristigen Depressionen auslösen würden. Die Masse macht die Klasse, es geht ums Tennis, nicht um einzelne Personen. Wobei Straka hohe Startgelder bezahlen musste. Und die Energiekosten haben sich verdreifacht.

Das Turnier hat sich von Lokalmatador Thiem emanzipiert. Das heißt nicht, dass der 29-Jährige an Bedeutung verloren hat. Im Gegenteil. Das Comeback schreitet munter voran, in Antwerpen erinnerte er an seine allerbesten Zeiten. Im Viertelfinale wehrte er gegen den Polen Hubert Hurkacz drei Matchbälle ab, gewann 3:6, 7:6, 7:6. Das Halbfinale gegen Sebastian Korda verlor er im Tiebreak des dritten Satzes, die Partien haben jeweils knapp drei Stunden gedauert. Thiem konnte sagen: "Hurkacz war einer der schönsten Siege seit langer Zeit, Korda definitiv eine der schmerzvollsten Niederlagen seit langer Zeit." Jedenfalls freut er sich "sehr auf Wien". Erstrundengegner ist am Dienstag Tommy Paul. Thiem ist in der Rangliste nun die Nummer 113, Tendenz stark steigend.

Visionen

Straka hat Visionen. Er spitzt auf eine weitere Aufwertung, Wien wäre dann ein 1000er. Dann gingen nur mehr die vier Grand-Slam-Turniere drüber. In St. Marx ist eine riesige Mehrzweckhalle geplant, man könnte die Frauen dazuholen. Wie in Wimbledon oder New York. Wobei das Frauentennis aktuell etwas in Nöten steckt. Straka sagt: "Ohne Serena Williams fehlt der Topstar, die Ikone, der Glamour. Die Männer verkraften Federers Abgang viel leichter."

Am Montag beginnt also das Stadthallenturnier. Neben Thiem sind drei weitere Österreicher dabei, Filip Misolic, Dennis Novak und Jurij Rodionov erhielten Wildcards. Misolic ist bereits am ersten Tag im Einsatz, er debütiert, sein Gegner und voraussichtlicher Bezwinger ist der Argentinier Francisco Cerundolo (nicht vor 17.30 Uhr). Danach trifft der Russe Rublew, Sieger von 2020, auf Diego Schwartzman. Straka sagt: "Im Tennis gibt es keine Selbstläufer." (Christian Hackl, 24.10.2022)