Thomas Schmid ließ des Kanzlers unterschwelliges Ansuchen um einen Persilschein in Sachen Anstiftung – wie sich herausstellen sollte, weitsichtig – an sich abperlen.

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Wenigstens über einen Menschen wurde diese Woche ausnahms- und vorbehaltslos, ja geradezu schwärmerisch berichtet. Damit avancierte Dietrich Mateschitz zum Gegenpol von Thomas Schmid, der sich über tiefste Abneigung in ÖVP-Kreisen und allgemeine Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit bis auf weiteres nicht beklagen kann. Einen Kronzeugenstatus anzustreben ist kein Honiglecken, da wirst du weder wegen deiner Handschlagqualitäten noch wegen früherer unternehmerischer Visionen gerühmt, auch wenn sie sich durchaus sehen lassen konnten. Von Mateschitz wusste Sebastian Kurz in "Österreich" zu sagen: "Ich habe die vielen Gespräche mit ihm deshalb umso mehr genossen, weil er immer direkt gesagt hat, was er sich denkt."

Diese Gespräche hat der Ex-Bundeskanzler, so weit bekannt, auch nicht am Telefon geführt und mitgeschnitten, was den Gesprächsgenuss zweifellos steigert. Von Mateschitz wollte er vermutlich auch keine Auskunft darüber, welches kranke Gehirn draufkommen könnte, er könnte etwas angestiftet haben. Eine Neugier, mit der Schmid nicht gut zurechtkam, weil da seine Bereitschaft, sie zu stillen, schon unter dem Verdacht litt, sein Gesprächspartner könnte verwanzt sein. Schmid ließ daher des Kanzlers unterschwelliges Ansuchen um einen Persilschein in Sachen Anstiftung – wie sich herausstellen sollte, weitsichtig – an sich abperlen. Ich kann dir das nicht konkret beantworten, weil das immer etwas Abstraktes ist. Er war aber wenigstens insoweit zu einer kleinen Konzession bereit, als er ergänzte: Die bauen sich ihre eigenen Geschichten zusammen – bedauerlich für Kurz und die Nachwelt, dass er offenließ, um wen es sich dabei handeln könnte.

"Abstraktes" und "Konkretes"

Die Tonbandaufnahme mit diesem Räsonnement über Abstraktes und Konkretes übergab Kurz der Staatsanwaltschaft und der Öffentlichkeit von "Österreich", was vermutlich in etlichen anderen Gesprächspartnern des damaligen Kanzlers die beunruhigende Frage erstehen ließ, wann ein Mitschnitt ihrer Gespräche mit ihm bei der Staatsanwaltschaft landen könnte. Das Zeugnis seiner Reinheit, das ihm Schmid verweigerte, stellte sich Kurz dann notgedrungen selbst aus: Durch dieses Tonband ist sein Kartenhaus aus falschen Anschuldigungen nach weniger als 24 Stunden in sich zusammengebrochen. Ob die Staatsanwaltschaft auf diesen Kartentrick hereinfällt, wird man alsbald sehen.

Weniger Glück in der Auseinandersetzung mit Schmid hatte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, weil er über keinen Telefonmitschnitt verfügte. Er musste sich damit begnügen, Schmids Behauptung, er, Sobotka, habe versucht, Steuerprüfungen beim Alois-Mock-Institut und bei der Erwin-Pröll-Stiftung abzudrehen, mit der rhetorischen Frage an einen Redakteur der "Presse" abzuschmettern: Für wie blöd hält man mich eigentlich?

"Wieso macht Thomas Schmid das dann?"

Das blieb zunächst im Raum stehen, bis der Redakteur wissen wollte, wieso macht Thomas Schmid das dann? Damit handelte er sich einen Rüffel Sobotkas ein, stellvertretend für die Branche. Da bin ich jetzt auch ein wenig erstaunt über die österreichische Journalistik. Dass man jemandem, der jetzt ein Jahr lang wegen seiner Chats angezweifelt wurde, nun ein Leumundszeugnis ausstellt! ... Schmid, dem man bisher alle Glaubwürdigkeit abgesprochen hat! Das ging freilich daneben, denn Schmid konnte sich höchster Glaubwürdigkeit erfreuen, wo er sich als Fanatiker des türkisen Regierungsstils zu erkennen gab. Schmid ist jemand, der heute A sagt und morgen B sagt, wie nun auch das Telefonprotokoll belegt.

Welches Telefonprotokoll? Sollte auch Sobotka irgendwo mitgeschnitten haben, oder handelt es sich um das von Kurz? Dort sagt Schmid nicht einmal A und dann B, sondern er sagt eben nichts, was ihm bei Sobotka einen zweifelhaften Charakter einbringt. Der Chefredakteur der "Presse" schrieb dazu in seinem nebenstehenden Leitartikel: Nachrichten, Protokolle und Tonbandmitschnitte (!) zeichnen ein Bild, als hätte ein Regisseur "Der Pate" mit "Kottan" gekreuzt. In Österreich wartet unter jedem Abgrund ein Abgrund. Aus einem solchen cineastischen Zugang verfällt man leicht in ein Plädoyer für Neuwahlen, als ein Mittel, politisch endlich wieder das zu bekommen, was wir so dringend brauchten: Stabilität. Eine Garantie dafür gibt er nicht.

Im Übrigen sollte, anders als die Regierung, die "Wiener Zeitung" bestehen bleiben. (Günter Traxler, 29.10.2022)