"Lazy Susan"-Tische, kaltweißes Licht, Platz für Freunde und Großfamilien: das neue, alte Happy Buddha am Mariahilfer Gürtel.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Äußere Mariahilfer Gürtel gilt gemeinhin als Zielgerade des anspruchsvollen Race-Circuits um die Innenbezirke. Weiter unten, hinter dem Wiental, werden die Gürtel-Ampeln offenbar zu ungünstig geschaltet, um die Spoilerdose noch fix auf 130+ zu beschleunigen, während man mit heißem Schoß zwischen den beweglichen, Mitmensch genannten Hindernissen durchschiebt. Hier aber, zwischen Mariahilfer und Sechshauser Straße, lässt sich das noch einmal zelebrieren, auch brustschwache Amateure schaffen auf dem abschüssigen Zieleinlauf Endgeschwindigkeiten, bei denen jeder Führerschein verglüht. Also, theoretisch: In echt wird hier, vor Maria vom Siege, natürlich nicht geblitzt – heißt ja nicht zufällig so, die Kirche.

Der Stress lohnt sich

Wer hier auf der falschen Straßenseite parkt und sich zum Happy Buddha durchschlagen muss, kann es nur mit Gottvertrauen versuchen, egal welcher Art. Der Stress lohnt sich. Das 1994 etablierte Restaurant genoss über Jahre einen Ruf wie Donnerhall – die Dim Sum genannten (und "Dim Sam" gesprochenen), typisch südchinesischen, gedämpften, frittierten und gebratenen Leckereien in vielfältiger Ausformung, die Innereien (Kutteln! Darm!) und Äußereien (Hühnerfüße! Froschschenkel! Seegurke!) gab es hier in einer Vielzahl und Qualität, für die man sonst weit reisen musste. Nicht alles blieb über die Jahrzehnte gleich gut, die Attraktivität des Ortes aber war für chinesische Expats ebenso wie für lokale Liebhaber mindestens so durch die familiäre Atmosphäre wie, wirklich außerordentlich, den riesigen Kinderspielbereich definiert.

Jetzt musste der glückliche Buddha ein paar Häuser weiter ziehen. Ist nach wie vor ein geräumiges Restaurant, Kinderspielplatz aber geht sich nicht mehr aus. Die Speisekarte wurde nur unmerklich kleiner. Immer noch gibt es Hummer auf drei verschiedene Arten – auf Vorbestellung. Alaska-Riesenkrabbenbeine um detailliert kalkulierte 88,90 Euro sind hingegen dauerhaft zu haben, frittierter Darm und Froschschenkel ebenso. Ja, so macht der Froster froh!

Happy Buddha wartet unter anderem mit hausgemachten Reisnudeln, Kanton-Ente oder Dim-Sums auf.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Nuckelfüßchen

Bei den Dim Sum vermag nicht alles zu überzeugen: Die mit Tintenfisch gefüllten Melanzani schwimmen in ältlichem Backfett, die mit Reis im Tontopf geschmorten Hühnerfüße sind zwar ideal glibberig, die flabbrige Haut lässt sich willig und ingwersüß von den Knöchelchen zuzeln – allein die Sauce erinnert an Schweröl und schmiegt sich auch als solches an die Galle. Char Siu Bao, die mit rot geschmortem Schwein gefüllten Germknödel, geraten luftig, die Fülle ist aber gar trocken für den vielen Teig. Schlüpfrige Reisteigtaschen aus dem Bambusdämpfer sind dafür drall mit Garnele und Stangenzeller gefüllt, heiße Glückskissen mit köstlich knackigem Innenleben. Gebratene Rettichkuchen mit Trockengarnele und Schwein sind geschmacklich überzeugend, aber zu weich und klebrig in der Konsistenz.

Viel besser die Hauptspeisen: Kanton-Ente, am Knochen gebraten und in mundgerechte Stücke gehackt, überzeugt mit knuspriger Haut, saftstrotzendem Fleisch und sanftem Bratensaft mit Sternanis- und Zimttönen. Garnelen auf malaysische Art werden mitsamt der Haut gebraten und in einem zarten, duftigen Fond mit Glasnudeln im Tontopf geschwenkt – richtig gute Ware. Hausgemachte Reisnudeln mit butterweichem Rind sind, ebenso typisch südchinesisch, mild gewürzt. Zu alldem knabbert der Kenner an erst gedämpften, dann frittierten Germteigbrötchen, die in Kondensmilch getunkt werden. Darf man als Langnase aber gerne auch zum Dessert ordern.
(RONDO, Severin Corti, 11.11.2022)