Ex-Premier Andrej Babiš (rechts) ist in Tschechien nach wie vor bei vielen beliebt. Staatstragender aber gibt sich Ex-General Petr Pavel (links).

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Eigentlich sollte es ein Auftritt ganz nach dem Geschmack von Andrej Babiš sein: Als der tschechische Ex-Premier am Sonntagabend plötzlich beim TV-Duell vor der Präsidentschaftswahl aufkreuzte, war sogar der Moderator überrascht. Babiš hatte die Nation im Glauben gelassen, dass er sich – wie bereits vor dem ersten Wahlgang – auch dieser Debatte des öffentlich-rechtlichen tschechischen Fernsehens entziehen würde. Alle stellten sich auf eine Doppelconférence des Moderators mit dem ehemaligen Armeegeneral Petr Pavel ein, der am Freitag und Samstag in der Stichwahl gegen Babiš antritt. Und dann kam Babiš doch.

Der milliardenschwere Unternehmer, der schon als Regierungschef den Staat "wie eine Firma" führen wollte, liebt die Show und das Unkonventionelle – zumindest in der Politik. "Die Politiker", das sind für den Chef der populistischen Partei Ano immer nur die anderen. Während er selbst sich als Macher präsentiert, als bekennender Workaholic mit Zug zum Tor, sind "sie" für ihn graue Mäuse, wenig effiziente Verwalterinnen und Verwalter des Staats, die den Menschen bloß das Geld aus der Tasche ziehen würden.

Heikle Nato-Frage

Was Babiš letztlich dazu bewegt hat, sich doch der sonntäglichen Konfrontation mit Pavel zu stellen, ist nicht ganz klar. Vielleicht waren es die Umfragen, die allesamt Pavel klar in Führung sehen – zuletzt mit ungefähr 58:42 Prozent. Vielleicht konnte ihn sein Team aber auch davon überzeugen, dass es ein Unterschied ist, ob man vor dem ersten Wahlgang eine TV-Debatte in großer Runde schwänzt oder ein Duell vor Runde zwei.

Andrej Babiš buhlt vor allem um die Stimmen der sozial Schwachen.
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Und doch wäre Babiš vielleicht besser zu Hause geblieben. Die Frage des Moderators, ob Tschechien im Fall eines Angriffs auf Polen oder die baltischen Länder seinen Verpflichtungen als Nato-Staat nachkommen beziehungsweise die Partner auch mit eigenen Soldaten unterstützen solle, brachte ihn gehörig ins Trudeln. "Nein, sicher nicht", sprudelte es aus ihm heraus. Er wolle "Frieden, keinen Krieg".

Damit sprach Babiš zwar sicher vielen aus der Seele, doch die Aussage schlug rasch Wellen und wurde als Absage an den Artikel 5 des Nato-Vertrags und die darin enthaltene Beistandspflicht zwischen den Mitgliedsstaaten interpretiert. Tags darauf ruderte der 68-Jährige zurück: Auf keinen Fall wolle er den Artikel 5 missachten, erklärte Babiš. Er habe sich in der Debatte "nur nicht vorstellen wollen, dass es zum Dritten Weltkrieg kommen könnte".

Manager gegen General

Doch da war der Schaden bereits angerichtet. Petr Pavel (61), Ex-Chef des tschechischen Generalstabs und von 2015 bis 2018 Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, konnte als Fachmann auf dem Gebiet der transatlantischen Allianz auftreten – und Babiš damit relativ leicht an die Wand spielen.

Ex-General Petr Pavel genießt Unterstützung aus dem Regierungslager.
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Egal, wie man zur Nato oder zur Rolle des Westens im Bezug auf Russlands Krieg gegen die Ukraine steht: Die Episode illustriert ein Grundproblem, das Babiš im Präsidentschaftswahlkampf nicht in den Griff zu bekommen scheint. Sein Politikstil gilt zwar als pragmatisch, aber auch als erratisch und unberechenbar. Die zupackende Manager-Attitüde, mit der er bis 2021 das Amt des Premierministers ausfüllte, ließ sich damit noch halbwegs vereinbaren. Das stark repräsentative Amt des Staatsoberhaupts aber will nicht so recht zu ihm passen.

Bis vor kurzem galt seine Kandidatur sogar als möglicher Fluchtversuch in die präsidiale Immunität: Babiš stand wegen des Vorwurfs vor Gericht, sich als Unternehmer unrechtmäßig EU-Förderungen erschlichen zu haben. Seit seinem – nicht rechtskräftigen – Freispruch wenige Tage vor dem ersten Wahlgang ist das Thema aber vom Tisch.

Zankapfel Regierung

Petr Pavel, der stets betont ruhig und überlegt auftritt, wirkt wie das personifizierte Gegenteil von Babiš. Zwar versucht er merklich, seine Militärvergangenheit in einen Nimbus von Stabilität, Disziplin und Verlässlichkeit umzumünzen; das Wort "General" ist in seinem Wahlkampf praktisch allgegenwärtig. Mit der Zurschaustellung von Ecken und Kanten geht das aber nicht einher. Im Gegenteil: Manche werfen ihm sogar vor, allzu sehr um Besonnenheit bemüht zu sein und dadurch "introvertiert" zu erscheinen.

Während Babiš derzeit die Rolle des Oppositionsführers einnimmt und um die Stimmen der sozial Schwachen buhlt, genießt Pavel Unterstützung aus der rechtsliberalen Regierung von Premier Petr Fiala, die von Babiš als "asozial" bezeichnet wird. Auch bei der vom Krieg mitverursachten Energie- und Inflationskrise verweist Babiš vor allem auf die sozialen Folgekosten. Damit spricht er auch Wählerinnen und Wähler an, die die Sanktionen gegen Russland insgesamt kritisieren. Den Angriff auf die Ukraine hat allerdings auch Babiš verurteilt.

Im ersten Wahlgang Mitte Jänner konnte Pavel sich mit 35,4 Prozent an die Spitze setzen. Babiš, der vom amtierenden Präsidenten Miloš Zeman unterstützt wird, landete mit knapp 35 Prozent auf Platz zwei.

Bei aller Unterschiedlichkeit haben beide Kandidaten etwas gemeinsam: ihre frühere Mitgliedschaft bei der bis 1989 herrschenden Kommunistischen Partei. Beide sind auch mit Geheimdienstvorwürfen aus jener Zeit konfrontiert. Dass nun auch ausgerechnet Babiš diese Karte gegen Pavel ausspielte, gilt als Versuch, liberale Wählerinnen und Wähler überhaupt von den Urnen fernzuhalten. Darin dürfte Babiš seine letzte Chance sehen. (Gerald Schubert, 26.1.2023)