Wladmir Putin selbst hat in Sachen Kryptowährungen ein Machtwort gesprochen. Doch Fachleute bezweifeln, dass die russischen Pläne aufgehen.

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Wenn zwei sich streiten, muss Wladimir Putin ein Machtwort sprechen. Zumindest wenn es um die offizielle russische Haltung zu Kryptowährungen geht. Mit einem unscheinbaren Satz machte der russische Präsident im Jänner vergangenen Jahres die Causa zur Chefsache: Die russische Zentralbank stehe einem offeneren Umgang mit Kryptowährungen "nicht im Wege" und unternehme selbst "die notwendigen Anstrengungen, in diesem Tätigkeitsfeld neue Technologien einzuführen".

Nur wenige Tage zuvor hatte die russische Zentralbank genau Gegenteiliges vermeldet. Sie drängte vehement auf eine Verschärfung der bestehenden Gesetze, die digitale Assets als Zahlungsmittel untersagen. Seit 2021 dürfen russische Staatsangehörige Kryptowährungen besitzen, müssen sie ab einer jährlichen Transaktionshöhe von 600.000 Rubel (rund 7.500 Euro) aber den Finanzbehörden melden. Auch Börsen und Miner müssen Transaktionen bei der Finanzaufsicht bekanntgeben. Nun wollte die Zentralbank Finanzinstituten verbieten, in Kryptowährungen zu investieren oder Kryptotransaktionen durchzuführen. Auch plädierte die Notenbank für ein Verbot, Kryptocoins herauszubringen. Die Zentralbank fürchtete bei einer Liberalisierung vor allem mit einer Zunahme von illegalen Transaktionen und Geldwäsche.

Harter Kampf zwischen Finanzministerium und Zentralbank

Dagegen liefen prompt das russische Finanzministerium und das Ministerium für Digitalisierung Sturm. Das offizielle Wording lautete: Es brauche Regulierungen, nicht Verbote. Erste Vorschläge sickerten durch: So sollte der Handel mit Kryptowährungen russischen Banken vorbehalten werden, ausländische Unternehmen könnten Lizenzen beantragen.

Mit Putins Machtwort für die Kryptoöffnung schwenkte die Zentralbank zähneknirschend in Richtung des Ministeriumskurses ein. Erleichtert wurde der Schritt wohl auch durch die äußeren Umstände. Denn mit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 änderte sich am russischen Finanzmarkt einiges: Russische Banken wurden vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen, Geschäfte mit der russischen Notenbank untersagt. Ausländische Konten russischer Staatsbürgerinnen wurden eingefroren, Handelsembargos ausgesprochen.

Sanktionen machen Flucht in Kryptowährungen attraktiv

Vor allem in den ersten Tagen nach dem Kriegsbeginn vervielfachten sich die Wechselaktivitäten von Rubel zu Bitcoin und anderen Kryptowährungen. Plötzlich war die Bedeutung anonymer, dezentraler Bezahlformen und Wertspeicher nicht mehr nur hypothetisch gegeben, sondern trat offen zutage. Auch der Kryptosektor blieb jedoch von Sanktionen nicht verschont: Die EU etwa begrenzte Einlagen in Kryptowallets von Russinnen und Russen erst auf einen Maximalbetrag von 10.000 Euro – mittlerweile sind sie vollständig untersagt. Viele Kryptobörsen verließen das Land.

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine tauschten viele Russen Rubel in Kryptowährungen um.

Wie die russische Krypto-Initiative konkret aussehen könnte, wurde dann Schritt für Schritt im Herbst deutlich. Unter den derzeitigen Bedingungen könne man auf Kryptowährungen im internationalen Zahlungsverkehr nicht verzichten, gestand der stellvertretende Finanzminister Alexej Moisejew Anfang September ein. Wenig später lag ein Gesetzesentwurf vor, der genau das erlauben sollte. Gegen Zahlungen im Inland legte sich die Zentralbank aber weiterhin quer.

Pläne für eine staatliche Kryptobörse

Im November folgte eine weitere Gesetzesvorlage, die das Minen und den Verkauf von Kryptowährungen legalisieren soll. Das ist nur folgerichtig, hatte Wladimir Putin doch bereits darauf hingewiesen, dass Russland wegen seiner hohen Energieproduktion einen natürlichen Wettbewerbsvorteil in Sachen Mining mitbrächte. Sogar an eine staatliche Kryptobörse ist in dem Entwurf gedacht. Das ging der Zentralbank abermals zu weit. Sie befürworte es zwar, das Mining zu legalisieren – aber nur, wenn die geschürften Coins ausschließlich an ausländischen Börsen und an Nichtrussinnen und Nichtrussen verkauft würden.

War im Dezember 2022 noch davon die Rede, dass die Staatsduma die entsprechenden Gesetze im Jänner oder Februar absegnen soll, drangen seitdem keine Neuigkeiten dazu mehr nach außen. Trotzdem sind Entwicklungen auszumachen: Im April 2023 startet die Zentralbank mit einer Testphase ihres "Digitalen Rubels" – einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC), wie sie etwa auch die EU plant. Das Projekt liegt der Notenbank offenkundig mehr am Herzen als eine Machtabgabe an dezentrale Coins. Die russische Sberbank wiederum will im Frühling mit einer DeFi-Plattform (Decentralized Finance) an den Start gehen, die auf der Ethereum-Blockchain beruht.

Studie bescheinigt russischen Plänen wenig Aussicht auf Erfolg

Doch worauf laufen die russischen Kryptopläne hinaus? Eine Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) geht davon aus, dass es sich dabei vor allem um Bemühungen handelt, bestehende Sanktionen zu umschiffen – wie es der Iran und Nordkorea bereits vorzeigen: Oligarchen könnten Interesse daran haben, Vermögen in anonyme Kryptowallets zu verschieben. Handelsembargos, etwa für Hightech-Produkte, ließen sich über alternative Bezahlwege umgehen – sofern sich dafür Verkäufer und Transportwege finden. Mit Öl, das aufgrund von Sanktionen nicht verkauft werden kann, ließe sich Energie zum Betreiben von Miningfarmen produzieren.

Dass es Russland jedoch wirklich gelingen wird, mit seinen Anstrengungen wirtschaftliche Sanktionen großflächig zu umgehen, bezweifeln die Expertinnen und Experten der OeNB. Denn dafür reiche die Menge verfügbarer Kryptowerte schlichtweg nicht aus. Auch dass Oligarchen ihr gesamtes Vermögen oder große Teile davon – die 15 reichsten Russen besitzen 180 Milliarden US-Dollar – in Kryptowährungen parken, halten die Fachleute für schwer durchführbar.

Zudem würde sich das Wesen der digitalen Währungen selbst gegen die wenden, die sie zu missbrauchen versuchen. Denn die Bitcoin-Blockchain etwa ist zwar anonym, alle Bewegungen auf ihr aber öffentlich einsehbar. Große Transaktionen würden schnell auffallen: "Behörden könnten solche Transaktionen fast schon bequem und in Echtzeit beobachten und analysieren." Ob das Schlupfloch, das Kryptowährungen öffnen, für den Riesen Russland am Ende groß genug ist, muss sich also erst zeigen. (Michael Windisch, 2.3.2023)