Die Szene wiederholt sich: Kommenden Montag werden sich Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil unter medialer Begleitung zum nächsten Mal einfinden, um eine Einigung über das Prozedere der Mitgliederbefragung zustande zu bringen.

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Das Experiment läuft nicht gut an für die SPÖ. Auch nach der zweiten Präsidiumssitzung in Serie wissen die Sozialdemokraten immer noch nicht genau, wie die künftige Chefin oder der künftige Chef gewählt werden soll. Dass die Entscheidung auf Montag vertagt wurde, prolongiert die Selbstdarstellung als uneiniger Haufen. Einen Beitrag dazu leistete Hans Peter Doskozil, der das Treffen am Mittwoch abermals mit beleidigter Bittermiene verließ, um den Journalisten Düsteres zuzuraunen: Er müsse das Gesagte erst einmal sacken lassen.

Chaostage in Rot also, wie Politikanalyst Thomas Hofer in der "ZiB 2" des ORF befand? Nicht alles ist schlechtem Management anzulasten. Die Entscheidung, die Führungsfrage per Mitgliedervotum zu klären, war sogar goldrichtig. Das gegenseitige Misstrauen ist in der Partei derart angewachsen, dass kein anderer Modus die nötige Legitimation gebracht hätte – und das Interesse zeigt, welche Chance mehr Mitbestimmung birgt: Offenbar wollten in den letzten Tagen so viele Sympathisanten der SPÖ beitreten wie schon lange nicht mehr.

Demokratie ist kompliziert

Dass die Angelegenheit zunehmend kompliziert wird, liegt ein Stück weit in der Natur der Sache. Nimmt die Partei demokratische Prinzipien ernst, kann sie schwerlich weitere Kandidaten neben Pamela Rendi-Wagner und Doskozil verbieten. Die umständliche Konstruktion – erst Befragung, dann Parteitag – resultiert aus dem Bemühen, dem angesichts der Entwicklungen aus der Zeit gefallenen Parteistatut Genüge zu tun.

Aber auch so ließe sich viel aus der Situation machen. Eine offene Auseinandersetzung um sozialdemokratische Ideen könnte die geneigte Wählerschaft weit mehr elektrisieren als die ewig gleichen Oppositionsparolen. Mediale Aufmerksamkeit wäre garantiert.

Doch dafür muss die SPÖ endlich die Voraussetzungen schaffen. Es braucht ein Reglement, um den Wahlkampf in geordnete Bahnen zu lenken – etwa in gemeinsame Hearings vor Genossen, wie es 2018 vor der Kampfabstimmung um den Wiener Bürgermeistersessel der Fall war. Und natürlich müssen die Bedingungen – reicht eine relative Mehrheit oder entscheidet dann doch der Parteitag? – außer Streit stehen.

Miese Vorbereitung

Es lässt einen perplex zurück, dass die roten Wortführer diese und andere Fragen nach der jüngsten Sitzung nicht beantworten konnten. Eine Woche Vorbereitungszeit muss doch reichen, um Varianten auszuloten und eine Entscheidung anzubahnen. Reden die Vertreter der verschiedenen Lager überhaupt miteinander? Es hat nicht den Anschein.

Nicht durchdacht wirken auch Beschlüsse, die gefasst wurden. Sozialdemokratische Erdung ist offenbar nicht nötig, um sich für den Vorsitz einer so stolzen Bewegung zu bewerben: Mitmischen darf jeder, der bis 24. März der Partei beitritt, weitere Hürden gibt es nicht. Damit riskiert die SPÖ, dass ein Agent Provocateur die Wahl zur Lachnummer macht. Wer Nummer eins werden will, dem wäre zumutbar, ein Mindestmaß an Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Als Bundespräsident darf ja auch nicht jeder einfach so kandidieren.

All das hinterlässt den Eindruck von Unprofessionalität und einer Verkennung der dramatischen Lage. Geht das so weiter, wird die SPÖ ihre Chance verspielen. (Gerald John, 23.3.2023)