"Fortnite" ist eines der beliebtesten Spiele und besonders bei Jugendlichen populär. Gespielt werden darf es ab dem Alter von zwölf Jahren. Wie viel Zeit das eigene Kind mit solch einem Spiel verbringen sollte, müssen die Eltern entscheiden. Man weiß ja, jedes Kind ist anders.

Foto: Epic Games

Seit 40 Jahren spiele ich Videospiele. Die Hälfte dieser Zeit habe ich dank dieser Branche mein Geld verdienen dürfen. Überschriften wie "Sind aggressive Computerspiele ansteckend?" lassen deshalb initial mein Blut hochkochen. Aber gut, es handelt sich um eine aktuelle Studie aus Österreich – bekanntermaßen der Geburtsort von Wertschätzung gegenüber dem erfolgreichsten Entertainment-Bereich der Welt. Das war ein Scherz. Nirgends sonst auf der Welt wird das Thema oftmals noch immer als "Kinderhobby" bezeichnet, aus dem man irgendwie herauswächst. Kein Gefühl für die Millionenumsätze oder die Tatsache, dass selbst im bergigen Österreich mittlerweile knapp fünf Millionen Menschen regelmäßig zum Joypad oder Smartphone-Spiel greifen.

Während der Rest der Welt die Hetzjagd auf Marilyn Manson und Videospiele als Grund für Amokläufe und aggressives Verhalten deshalb längst aufgrund von zahlreichen Studien hinter sich gelassen hat, greifen wir das in Österreich gern noch einmal auf, wenn es den Anschein hat, man könnte die "Killerspiel-Debatte" zurückholen. Wenn dann in einer heimischen Tageszeitung in der Einleitung auch noch von den von Gewalt dominierten "Ego-Shootern" gesprochen wird und in den Raum gestellt wird, es gäbe keinen finalen wissenschaftlichen Konsens, ob aggressive Computerspiele ansteckend seien – dann fehlen mir kurz die Worte. Aber nur kurz.

Ballerspiele

Um was geht es bei der neuen Studie? Tobias Greitemeyer von der Universität Innsbruck möchte festgestellt haben, dass Aggression abfärben kann. Okay, gute Laune ist bekanntermaßen auch ansteckend, weshalb ich diese Zeilen mit einem Lächeln formuliere. Greitemeyer hat sich für sein Experiment Leute angesehen, die aggressive Computerspiele spielen. Eine Definition, was aggressive Computerspiele eigentlich sind, schafft es nicht in den kurzen Beitrag von Ö1, und im "Kurier" werden sie wie eingangs erwähnt subtil mit Ego-Shootern gleichgestellt.

Nachdem ich meinen Controller vor ein paar Jahren auch bei Dr. Mario absichtlich aus der Hand habe gleiten lassen, hätte ich gern mehr über die für die Studie verwendeten Spiele erfahren, aber das ist vielleicht auch nicht wichtig. Jeder, der einmal einen sogenannten Ego-Shooter gespielt hat, weiß, dass nach der anfänglichen Überwältigung durch etwaigen Einbau von Blut vor allem Muscle-Memory trainiert wird. Damit gemeint ist, dass bei jedem Shooter, wenn wir bei diesem Beispiel bleiben, gewisse Mechaniken und Bewegungsmuster trainiert werden, die am effektivsten zum Erfolg führen. Das gilt für Solo-Abenteuer, aber noch viel mehr für Shooter, die man online gegen andere spielt.

Wo waren wir? Ach ja, bei der Studie. Das Spielen von aggressiven Computerspielen fördere die Aggression im Spieler, und diese Aggression, so wird der Professor für Sozialpsychologie etwa bei Ö1 zitiert, breite sich dann auch auf das "soziale Netzwerk des Spielers" aus. Einmal mit diesem Aggro-Virus angesteckt, würden auch die Infizierten bald zu aggressiven Computerspielen greifen. Im "Kurier" erläutert er diesen Punkt noch ausführlicher: "Unsere Studien zeigen den Effekt, dass Spielende aggressiver werden, wenn sie gewalthaltige Spiele spielen. Noch stärker scheint der Ansteckungseffekt zu sein, wenn Personen in meinem Umfeld aggressiv sind – dann werde ich das auch, selbst wenn ich das nur beobachte."

Zurück zum Anfang

Kämpft man sich weiter in der Diskussion, wird auf einmal erwähnt, dass der Effekt bei einer einzelnen Person "gering" sei, aber durch die hohe Anzahl an Spielenden wäre es natürlich trotzdem gefährlich, weil der Virus ja generell die Aggression in der Gesellschaft nach oben drücke.

Hätte man diese Dinge nicht schon so oft gelesen und gehört, man würde meinen, es gebe neue Erkenntnisse. Gibt es allerdings nicht. Nachdem ich schon begonnen hatte, mehrere Leserbriefe zu schreiben beziehungsweise nach der E-Mail-Adresse des Herrn das Internet durchforstete, trat das eigentlich Entscheidende dann doch noch als dickes Ende in den einzelnen Berichten zum Vorschein. Es würden bei diesem Aggro-Virus doch auch "mehrere Faktoren" mitspielen. Computerspielen sei, so ganz am Rand erwähnt, auch gar nicht der wichtigste dieser Faktoren. Viel mehr für aggressives Verhalten verantwortlich sei das soziale Umfeld der einzelnen Person.

Wenn beispielsweise der Vater im Job Stress hat und zu Hause seine Kinder anmotzt oder Schlimmeres, hätte das mehr Einfluss als ein Abschuss in "Counterstrike". Damit decken wir uns letztlich wieder mit dem aktuellen "Konsens" über die Auswirkungen von Videospielen.

Differenzierte Berichterstattung

Horror-Überschriften, die im Zusammenhang mit der Studie provoziert wurden, werden wohl wieder zahlreiche Eltern dazu bringen, den "Fortnite"-Account ihrer Kinder zu sperren. Wie in den Jahrzehnten davor ist aber nicht "Fortnite" oder eines der vielen anderen Games das Problem, sondern falscher Medienkonsum. Wenn ich einen Siebenjährigen das nur für Erwachsene freigegebene "Grand Theft Auto" spielen lasse, dann wird das negative Konsequenzen haben. Genau wie der Konsum von Alkohol in diesem Alter oder einer Binge-Session von "Sopranos".

Computerspiele sind allgegenwertig und dank Smartphones und dem kostenlosen Zugang – auch Free2Play genannt – einfacher zugänglich als je zuvor. Dass man hier als Erziehungsberechtigter gefordert ist, steht außer Frage. Man muss sich tatsächlich mit den Dingen auseinandersetzen, mit denen das eigene Kind interagiert, auch wenn das nach einem langen Arbeitstag manchmal schwierig ist. Einfach verbieten, weil man keine Ahnung hat oder sich von Überschriften über den bösen Aggro-Virus – da ist das Wort wieder – einschüchtern lässt, hat meiner Meinung nach weder einen pädagogischen noch einen gesellschaftlichen Mehrwert.

Die Aggression auf der Straße, etwa wenn Klimakleber von Passanten in den Bauch getreten werden oder bei Corona-Demos Journalisten verprügelt werden, kommt selten vom langen Ego-Shooter-Spielen. Die Gründe für die immer aggressiver werdende Spaltung unserer Gesellschaft, das ist zumindest mein Standpunkt, sind leider etwas komplexer. (Alexander Amon, 4.4.2023)