Wer den "richtigen" Namen hat, hat mehr Chancen am österreichischen Wohnungsmarkt. Das hat nicht nur eine Recherche des STANDARD vor wenigen Tagen gezeigt, das zeigt nun auch eine aktuelle Studie der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz: Für Einladungen zu Besichtigungen ist demnach entscheidend, welche Nationalität den Anfragenden zugeschrieben wird. Auch Menschen, deren Migrationsbiografie weiter zurückliegt – etwa weil die Eltern oder Großeltern einst nach Österreich gezogen sind – werden demnach diskriminiert.

"Man kennt die anekdotische Evidenz", sagt Co-Studienautorin Doris Weichselbaumer, Leiterin des Instituts für Frauen- und Geschlechterforschung an der JKU. Das Ergebnis der Studie bestätige nun aber eine "traurige Vermutung".

Für die noch nicht publizierte Studie, die dem STANDARD in einer ersten Fassung exklusiv vorliegt, hat die Ökonomin gemeinsam mit Hermann Riess, Dissertant an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der JKU, vier Profile mit jeweils landestypischen männlichen Namen und dazupassender E-Mail-Adresse erstellt: den autochthonen Österreicher Lukas Huber, den Serben Dragan Jovanovic, den Türken Mehmet Yilmaz und den Syrer Mohammed Ahmad. Insgesamt wurden in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren über unterschiedliche Immobilienplattformen fast 3.900 schriftliche Anfragen an Privatpersonen in ganz Österreich gestellt.

Arabische Namen am meisten benachteiligt

Das Ergebnis: Der fiktive Österreicher Lukas Huber war bei der Wohnungssuche am erfolgreichsten. Er bekam auf 68 Prozent seiner Anfragen eine Einladung zu einer Besichtigung, Dragan Jovanovic in 61 Prozent, Mehmet Yilmaz in 51 und Mohammed Ahmad in 39 Prozent. Damit reihe man sich in den aktuellen Stand der Forschung ein, erklärt Weichselbaumer, wonach es Menschen mit arabischen Namen am Wohnungsmarkt am schwersten hätten, während man sich Menschen aus Serbien kulturell näher fühle.

Erste oder zweite Generation

Spannend sind aber auch die Details der Studie, die laut den Autoren die erste breiter angelegte Untersuchung dieser Art in Österreich ist. In den E-Mails an Vermieter wurden unterschiedliche Informationen über die Herkunft preisgegeben. So wollte man austesten, ob es einen Unterschied macht, ob Menschen in erster oder zweiter Generation im Land leben.

In manchen E-Mails wurden neben dem Namen daher gar keine Angaben zur Herkunft gemacht. In anderen betonten die Männer, dass sie in Ankara, Belgrad oder Damaskus geboren und auch aufgewachsen sind. In einer anderen Variante wurde betont, dass man im Ausland geboren, aber hierzulande aufgewachsen sei. Und in wieder einer anderen Version der E-Mails hieß es, dass man in Österreich geboren und aufgewachsen sei.

Bei Mohammed Ahmad erhöhte sich die Rücklaufquote um 15 Prozentpunkte, wenn er angab, in Österreich geboren und aufgewachsen zu sein. Anscheinend, schlussfolgert man in der Studie, werde bei Syrerinnen und Syrern, die keine näheren Angaben machen, davon ausgegangen, dass es sich um Menschen handelt, die erst vor kurzem nach Österreich geflüchtet sind.

Die Männer mit türkischem und serbischem Namen wiederum erhöhten die Rücklaufquote auf ihre E-Mails nicht, wenn sie angaben, in Österreich geboren und aufgewachsen zu sein. "Offenbar gehen Vermieter von Kandidaten mit serbischem oder türkischem Namen, die keine detaillierte Hintergrundinformation geben, ohnehin davon aus, dass sie in zweiter Generation hier sind", heißt es in der Studie, diese zusätzliche Angabe habe also keine weitere Wirkung mehr. Die Information, dass man im Ausland geboren und aufgezogen wurde, wirkte sich wiederum negativ auf die Rücklaufquote aus.

Anspruch auf Schadenersatz

Wohlgemerkt: Diskriminierung am Wohnungsmarkt aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit ist in Österreich verboten. Nur ist diese schwer nachzuweisen, weil man in der Regel nicht erfährt, wer den Zuschlag zur Wohnung letztendlich bekommt. Betroffene haben aber Anspruch auf Schadenersatz. Entsprechende Prozesse wären wichtig, damit mehr Bewusstsein entsteht und sich Vermieter nicht mehr trauen, bestimmte Interessentinnen und Interessenten von vornherein zu benachteiligen, sagt Karl Raith von der Arbeiterkammer Steiermark. Der Haken: Das Prozessrisiko bleibt dennoch bestehen. Die Arbeiterkammer Steiermark gewährt ihren Mitgliedern aber auch in diesen Fällen Rechtsschutz, betont Raith.

Eine Wohnung zu finden ist herausfordernd – ganz besonders für Menschen mit nicht österreichisch klingenden Namen.
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Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert schon länger Verbandsklagerechte, um gegen Wiederholungstäter in der Immobilienbranche besser vorgehen zu können. Dieser Forderung schließt sich auch Asiye Sel von der Arbeiterkammer Wien an. Man müsse ganz allgemein die Gesetzeslage bewusst daraufhin prüfen, inwiefern ein Potenzial für Diskriminierung vorliegt. Und das Thema müsse breiter gefasst werden – Stichwort Levelling-up: Aktuell gibt es keinen Schutz für Paare, die aufgrund ihrer Homosexualität diskriminiert werden.

Die Immobilienbranche müsse, auch von der Politik, darüber informiert und sensibilisiert werden, sagt Sel. Sie betont: "Wenn ein Vermieter einem Makler sagt, er wolle keine Mieter:innen mit dunkler Hautfarbe, und das wird von ihnen dann so umgesetzt, machen sie sich alle nach Gleichbehandlungsgesetz straffällig."

Immerhin: Das Bewusstsein, dass das nicht erlaubt ist, steige, sagt Konsumentenschützer Raith. Bloß bringe dieser Umstand auch mit sich, dass die Vorgehensweise bestimmter Vermieter raffinierter werde.

Bund und Land weisen Zuständigkeit von sich

Muss hier gesetzlich nachgeschärft werden? Bei dieser Frage verweisen das Justizministerium unter Alma Zadić (Grüne) und der Wiener Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) aufeinander. Zur Erklärung: Das Gleichbehandlungsgesetz ist Bundes-, Antidiskriminierungsgesetze sind Ländersache.

Aus Wiederkehrs Büro heißt es also, dass Letzteres nur für Wiener Wohnen, nicht aber Privatwohnungen gelte, im Justizministerium betont man, dass Antidiskriminierung Ländersache sei. Aus Wiederkehrs Sicht ist "das Landesgesetz nach derzeitiger Sachlage ausreichend", weitere Nachschärfungen könne "Wien nicht alleine tragen".

Diskriminierungen seien ohnehin verboten, in erster Linie sei die Problematik daher keine rechtliche.

Nur hilft das Mohammed Ahmad wenig. (Muzayen Al-Youssef, Franziska Zoidl, 6.4.2023)