Ein gutes Reisfleisch kann ein herrliches Wohlfühlessen sein, üppig und weich, im besten Sinn unaufregend und schmeichelnd, ein Teller Welt, die noch in Ordnung ist.

Meine persönliche Reisfleischgeschichte beginnt im Gasthaus Birner an der Alten Donau, wo es, bilde ich mir ein, einst ganz hervorragend war (genauso wie die Fischbeuschlsuppe!). Weil ich das Birner-Reisfleisch heute leider nicht mehr empfehlen kann, haben der Heinrich S., der Christoph Fink und ich uns darangemacht herauszufinden, wie wir es am besten selber machen. An einem langen Nachmittag haben wir versucht, möglichst viele der grundlegenden Reisfleischfragen zu beantworten: Welcher Reis liefert die besten Ergebnisse? Ist Schwein oder Kalb das Tier der Wahl? Und sind geschnittene Champignons im Reisfleisch tatsächlich eine gute Idee?

Reisfleisch-Versuche
Foto: Tobias Müller

Generell gibt es zwei Arten von Reisfleisch auf der Welt: das trockene, das oft in mehr oder weniger seltsamen Formen auf Teller gestürzt wird und an einen Pilaf erinnert, und das saftig-cremige, im besten Sinn pampige, das mehr wie ein österreich-ungarisches Risotto serviert wird. Sollten Sie zu jenen Menschen gehören, die Pilaf-Reisfleisch bevorzugen, kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Für alle anderen haben wir ein ziemlich gutes Rezept gefunden.

Eine kurze Geschichte des Reisfleischs

Das Reisfleisch ist ein typischer Wiener Bastard, ähnelt zahlreichen Gerichten aus zahlreichen Ländern der Monarchie und hat doch seinen ganz eigenen Charakter: Die grundsätzliche Idee, Reis mit Fleisch gemeinsam zu kochen, erinnert sowohl an Djuvec, den Schmortopf des Balkans, als auch an Pilaf, das große Reisgericht des Ostens, die beide mit den osmanischen Eroberern auf den Balkan kamen. Das ungarische Pörkölt (das bei uns Gulasch heißt) hat ihm die Grundwürze verliehen, und vom norditalienischen Risotto hat es sich den Parmesan geborgt.

Doch während Risotto und Pilaf mit Fleisch gewürzter Reis sind, ist das Reisfleisch meist Fleisch mit Reis – eine üppige, gutbürgerliche Fleisch-Obers-Käse-Orgie, mehr Fleischreis als Reisfleisch. Als es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Wien auftauchte (1), wurde es zunächst als Verwandter des Gulaschs betrachtet: In Babettes Franners "Die Wiener exquisite Küche" von 1893 wird es im Gulasch-Kapitel gelistet, und Louise Seleskovitz schreibt in den 1880er-Jahren lapidar: "Wird wie das Kalbsgollasch bereitet, bloß gibt man, wenn das Fleisch halb weich gedünstet ist, einen halben Liter ausgewaschenen Reis hinzu." Bis heute wird es in Wiener Gasthäusern gern mit Gulaschsaft gewürzt.

Wer es zu Hause macht, hat erstens selten Gulaschsaft zur Hand, und zweitens ist das bei sorgfältiger Zubereitung meiner Meinung nach auch gar nicht nötig. Viel wichtiger sind ein paar andere Punkte.

Reisfleisch oder Fleischreis?

Die allermeisten Reisfleisch-Rezepte sind auf der fleischigen Seite. Das Extrem findet sich in einem der frühesten Reisfleischrezepte in der "Exquisiten Wiener Küche", wo es im Gulasch-Kapitel steht und bescheidene 50 g Reis ein Kilo Fleisch würzen. Am anderen Ende des Spektrums steht Karl Duchs wohl von Nachkriegsnot geprägte Version des serbischen Reisfleischs, wo auf einen Kilo Fleisch ein Kilo Reis kommt. Wir haben uns bei unseren Versuchen bei 300 g Fleisch auf 100 g Reis eingependelt – eine Mischung, bei der keine der beiden Komponenten die andere überwältigt und sowohl Reis- als auf Fleischfans auf ihre Rechnung kommen.

Grafik: Heinrich S.

Lang oder rund?

Die vielleicht grundlegendste Entscheidung, die der Reisfleischkoch zu treffen hat, ist die Wahl des Reises. Ich weiß es nicht bestimmt, aber ich nehme schlicht wegen der geografischen Nähe an, dass historische Reisfleische in Wien wohl mit norditalienischem Risottoreis, also Rundkornreis, oder Reis aus Ungarn gekocht wurden, wo ebenfalls schon im 19. Jahrhundert italienische Sorten angebaut wurden. (Der Djuvec hingegen dürfte ziemlich sicher mit Langkornreis gemacht worden sein, genauso wie der Pilaf.)

Der beachtliche Unterschied des Reises: gleiches Reisfleisch-Rezept mit Bomba (links) und Basmati (rechts).
Foto: Tobias Müller

Rundkornreis ist meiner Meinung nach auch heute die klar bessere Entscheidung. Ein Langkornreis bringt bei sonst identer Zubereitung ein völlig anderes Gericht hervor als ein Mittel- oder Rundkornreis. Ich war überrascht, wie drastisch der Unterschied ist, nämlich nicht nur in der Konsistenz, sondern auch im Geschmack. Das Reisfleisch, das wir mit Basmati gekocht haben, war ein eher trockenes Gericht – eh gut, aber mir zu fad. Das Reisfleisch mit dem spanischen Bomba-Reis hingegen war cremig, saftig, und auch die Gewürze sind in der Version viel besser hervorgekommen.

Selbst Heinrich S., der vorher dachte, eher trockenes Reisfleisch zu mögen ("Ein Reisfleisch ist kein Risotto", hat er während unserer Recherche mal schnippisch gemeint), war von der Rundkornversion rundum überzeugt. Wir haben den Bomba dann auch noch gegen einen klassischen Risottoreis antreten lassen – der Spanier hat uns immer noch besser geschmeckt, aber der Unterschied war nicht mehr eklatant.

Welches Fleischstück?

Zwei Tiere, ein Cut.
Foto: Tobias Müller

Ich gebe zu, dass wir hier nicht viel experimentiert haben, weil ich die Antwort offensichtlich finde: Reisfleisch braucht, genauso wie sein Verwandter, das Gulasch, gut durchzogenes, üppiges Fleisch, das sich zum Schmoren eignet, und es gibt wenige Rezepte, die das anders sehen. Zu fett soll es aber auch nicht sein – wenn ich Schweinebauch mit Reis will, gehe ich lieber zum Chinesen. Schulter oder Hals, egal welchen Tiers, ist daher für mich die erste Wahl.

Schwein oder Kalb?

Ähnlich wie beim Gulasch setzen alle Rezepte, die wir für unsere Recherche gelesen haben, entweder auf Kalb oder Schwein, wobei nur eine Minderheit, etwa ein Drittel, Schwein verwendet – ich nehme an, dass das daran liegt, dass Kalb als edler gilt und Kochbücher immer schon eher edlere Rezepte aufgeschrieben haben.

Auch wir sind der Kalb-Schwein-Dualität treu geblieben und haben ein Reisfleisch mit Schweinsschulter samt Schwarte, eines mit Kalbsschulter ohne Haut gekocht – und das Ergebnis hat mich überrascht.

Ich bin meist kein großer Freund von Kalbfleisch, weil ich es geschmacklich fad finde, und greife auch beim Schnitzel lieber zum Schwein. Dem Reisfleisch aber ist das Kalb besser gestanden: Es hat ein eleganteres Gericht ergeben, auch weil die Gelatine des Kalbes für einen besseren Schmelz sorgt als das Fett des Schweins. Reisfleisch vom Schwein ist gar nicht schlecht, aber derber, mehr Beisl als Gasthaus, und verlangt nach einer etwas anderen Würze (siehe weiter unten).

Schmalz vs. andere Fette

Wir haben es wieder probiert, und Schmalz gewinnt so gut wie immer, vor allem wenn es gutes Schmalz ist. Das schweindelt dann nicht, sondern macht das Gericht einfach molliger, runder, auch mit Kalbfleisch. Kalbsnierenfett, Butter oder Erdnussöl tun’s aber natürlich auch.

Wie – und wie lange – garen?

In allen klassischen Rezepten wird das Fleisch erst angegart – "halb gegart" oder "halb weich gegart" sind beliebte Formulierungen –, dann der Reis zugegeben und alles gemeinsam fertig geschmort. Wir fanden die Methode nicht ideal: Erstens ist es sehr schwer abzuschätzen, wann genau das Fleisch noch so lange brauchen wird wie der Reis – es passiert daher schnell, dass man entweder zäh-trockenes Fleisch oder untergarten oder überkochten Reis hat. Und zweitens zwingt es den Koch auch, die benötigte Menge an Flüssigkeit von Anfang an korrekt einzuschätzen. Kann je nach Erfahrung gut-, aber auch danebengehen.

Schwein vs. Kalb.
Foto: Tobias Müller

Wir sind daher in zwei Schritten vorgegangen: Zuerst haben wir das Fleisch im Zwiebelsud so lange gegart, bis es die unserer Meinung nach perfekte Konsistenz hatte. Dann haben wir es abgeseiht und den Reis in der passenden Menge der Schmorflüssigkeit bissfest gekocht. Beim Bomba war das ein Verhältnis von 1:3 bei Reis zu Flüssigkeit, also 300 ml Saft auf 100 g Reis. Vor dem Servieren haben wir die zwei wieder vereint, gewürzt und die Konsistenz mit etwas Schmorsaft korrigiert. Macht wenig Mehraufwand und sorgt für konstantere Ergebnisse.

Ein kleiner 41-Stunden-vorab-sousvide-Versuch (Fleisch garen, dann Reis im Saft kochen) des Heinrich S. hat tadellos funktioniert und wunderbar geschmeckt – nötig war der Aufwand aber nicht. Das Fleisch, das wir schlicht im Topf geschmort haben, war genauso gut.

Die Zu- und Beigaben

In den allermeisten Rezepten wird Reisfleisch sehr puristisch gewürzt, die vorgeschlagenen Zugaben sind überschaubar – wir haben daher alles ausprobiert (außer den Karfiol (sic), den Alice Urbach dazu empfiehlt).

Zwiebel: weniger als beim Gulasch, weil man es hier ja nicht zum Saftbinden braucht, aber doch genug für den Geschmack. Wir haben eine große Zwiebel für 300 g Fleisch verwendet und ihr ein bissl eine Farbe im Topf gegeben. Fleisch haben wir, wie beim Gulasch, dafür nicht gebräunt.

Paprikapulver: immer mit dabei. Wir haben uns die Experimente gespart und den Ungarn genommen, der sich schon beim Erdäpfelgulasch bewährt hat.

Parmesan: gehört unbedingt gerieben ins Endprodukt gerührt, schon allein für die Cremigkeit. Was sich bei unseren Versuchen ebenfalls bewährt hat, war, die Rinde mit dem Fleisch mitzuschmoren: Der Sud mit Rinde war merkbar besser als jener ohne, und zwar deutlich.

Paradeismark: immer wieder genannt, gab gemischte Ergebnisse. Gut mit Schwein, beim Kalb zu aggressiv und nicht nötig

Frischer Paprika: hat im Reisfleisch genauso wenig verloren wie im Erdäpfelgulasch.

Speck: nein. Schmeckt sonst zu sehr nach, na ja, Speck.

Zitronenschale: feinduftige Würze für die Kalbfleischversion, am Ende unterrühren. Beim Schwein verschwendet.

Dünnblättrig geschnittene Champignons: ungewöhnlich, aber durchaus gut, geben noch einmal einen Extra-Geschmacksboost wie Maggi. Für die Abwechslung eine gute Idee.

Kümmel: steht dem Schweinernen.

Sauerrahm: immer gut.

Essiggurkerl: erstaunlich unnötig.

Was andere so ins Reisfleisch tun.
Foto: Heinrich S.

Was wir über Reisfleisch gelernt haben

Reisfleisch vom Kalb ist ein erstaunlich puristisches Gericht: Es braucht kaum Extrawürze und lebt von seiner Cremigkeit und der vielen Gelatine und Eleganz des Kalbfleischs. Wer mit Schwein arbeitet, der kann und soll andere Gewürzkaliber auffahren: Tomatenmark und Kümmel sind in dem Fall eine gute Idee. Unabhängig von der Fleischart ist der richtige Reis entscheidend fürs Gelingen; und ein separates Garen von Fleisch und Reis macht unwesentlich mehr Arbeit, sorgt aber für konsistentere Ergebnisse.

Das vorläufig perfekte Gruß-aus-der-Küche-Reisfleisch

Foto: Tobias Müller

Die Menge reicht leicht für vier Esser. Weniger Reisfleisch sollte man ohnehin nie machen.

Die Zwiebel in reichlich Schmalz glasig braten. Falls Sie Schwein verwenden, einen Löffel Tomatenmark mitrösten, bis er dunkel ist. Erst den Knoblauch, dann eine halbe Minute später den Paprika zugeben, ganz kurz mitrösten und mit guter Suppe ablöschen. Das würfelig geschnittene Fleisch und ein Stück Parmesanrinde (und für Schwein etwas Kümmel) zugeben, wieder zum Köcheln bringen und auf niedriger Hitze sanft schmoren, bis das Fleisch ganz weich ist, etwa 45 Minuten bis eine Stunde.

Den Sud durch ein Sieb abseihen, sodass Zwiebel, Fleisch und Parmesanrinde im Sieb zurückbleiben. Parmesanrinde wegwerfen, Zwiebel und Fleisch für später zur Seite stellen.

Den Reis gut waschen, die passende Menge Flüssigkeit abmessen und darin garen, bis er bissfest und cremig ist. Die Fleisch-Zwiebel-Mischung einrühren und alles gut durchwärmen. Zum Schluss den geriebenen Parmesan und für die Kalbfleischversion die Zitronenschale unterheben, mit gehacktem Petersil und einem Klecks Sauerrahm garnieren und am besten mit einem grünen Salat sofort servieren. (Tobias Müller, 16.4.2023)