Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hat einen mutigen Twitter-Thread verfasst. Mutig, weil sie darin Themen auflistet, zu denen jeder kluge Spindoktor der ÖVP Schweigen verordnet hätte. Doch Edtstadler ließ anlässlich der SPÖ-Debatten und des KPÖ-Wahlerfolgs kein Fettnäpfchen aus.

"Mehr Staat bringt nicht mehr Gerechtigkeit": Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) auf Twitter.
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Der Wohlfahrtsstaat sei nicht dazu da, "jeden Härtefall staatlich" abzufangen, schreibt sie. Irrtum, genau das ist die Idee von Wohlfahrt. Doch vielleicht definiert die ÖVP "Härtefall" anders. Das würde erklären, warum es auch für erfolgreiche Betriebe wieder rund fünf Milliarden Energiekostenzuschuss geben soll.

Kostenlose Bildung und Medizin sind für Edtstadler der Beweis, wie gut es alle haben. Dass Bildung meist weitervererbt wird, dass die weniger Betuchten immer länger auf Arzttermine warten: Wen kümmert’s? Edtstadler moniert lieber den von der KPÖ "ausgerufenen Klassenkampf gegen teure Mieten" – kurz nach Erhöhung der Richtwertmieten auch mutig.

Richtig unappetitlich ist aber die Mär der Faulen, die lieber arbeitslos sind. "Ungerecht" findet das Edtstadler "all jenen gegenüber, die täglich arbeiten gehen, die Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen". Hatte sie da auch die Marktstandler im Sinn, die Wiens ÖVP-Chef kürzlich per Video anpöbelte?

1994 wurde die Vermögenssteuer, 2008 die Erbschaftssteuer abgeschafft, die Körperschaftssteuer wird laufend gesenkt. So gesehen stimmt Edtstadlers Conclusio: "Nun ist es Zeit, das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen zu lassen." (Colette M. Schmidt, 26.4.2023)