In seiner Rede zum Tag des Sieges über NS-Deutschland am Dienstag hat Russlands Präsident Wladimir Putin das Gedenken an die immensen Opfer der Sowjetunion im Kampf gegen den Faschismus obszön missbraucht. Indem er seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit dem Abwehrkampf gegen die Wehrmacht vor 80 Jahren gleichsetzt, verhöhnt Putin die Millionen Menschen, die ihr Leben gegen Hitler gelassen haben.

Um sein Volk auf einen langen Krieg gegen die angeblichen "Faschisten" in Kiew einzuschwören, griff Putin wieder einmal tief in die Trickkiste der Kreml-Propaganda: Russland, erklärte er auf der Festtribüne auf dem Roten Platz, sei damals wie heute Opfer sinistrer Mächte; die "globalistischen Eliten", wie Putin die westlichen Unterstützer der Ukraine nennt, seien die neuen Nazis, die Russland zerstören wollten.

Putins Rede vor Veteranen und Militärs war vor allem eines: voller Lügen.
Foto: IMAGO/Mikhail Metzel

Ob Putins Lügen verfangen oder nicht, ist ungewiss; ob sie dazu führen, dass die Russinnen und Russen die vielen Toten, etwa in Bachmut, weiter hinnehmen, ebenso. Anders als im Zweiten Weltkrieg, als die Wehrmacht gegen Moskau vorrückte, ist Russlands Staatlichkeit heute keineswegs bedroht, wie es Putin beschwört, weder von den USA noch von der Nato – und schon gar nicht von der Ukraine. Putins Russland ist nicht das Opfer, als das es der Präsident in seiner Rede verklärt, sondern Täter.

Dass Putin am Tag des Sieges über Hitler zudem verschweigt, dass ein großer Teil der sowjetischen Opfer der Nazis Ukrainerinnen und Ukrainer waren, passt in dieses Bild. (Florian Niederndorfer, 9.5.2023)