Ein 78-jähriger Österreicher, der bei der rechtsextremen Nationalen Volkspartei Kassier war, für die FPÖ 2007 bei Gemeinderatswahlen antrat, den rechtsextremen Identitären Geld spendete, mit ehemaligen Südtirol-Terroristen ebenso Kontakt hatte wie mit jüngeren Neonazis, soll laut Verfassungsschutz ein "radikalisierter Einzeltäter" sein. Angesichts dessen, was über den Mann bekannt ist, stellt man sich eigentlich die Frage: Mit wem in der rechtsradikalen und neonazistischen Szene war der Mann eigentlich nicht vernetzt?

Dass die Behörden die Betroffenen nicht über Terrorpläne informiert haben, sorgt für Empörung. Viele Fragen sind offen.
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Denkbar ist vieles. So mag es auch sein, dass der heute in Haft sitzende Mann mit einem großen Freundeskreis in Österreich und Ungarn tatsächlich in kompletter Einsamkeit sammelte und plante. Dass er, der Anleitungen, Pläne und Material zum Bombenbau ebenso zu Hause hatte wie NS-Devotionalien, sein "Manifest" nur für sich schrieb. Dass er die für die "vereinten Kräfte" der Rechten beschriebenen Anweisungen, wie man Terroranschläge unbemerkt durchführen könne, nur als schriftstellerische Übung verstand. Dass er zwar Probesprengungen in Ungarn durchführte, um sich auf das Volksstimmefest 2021 im Wiener Prater vorzubereiten, diese aber eher leise ausfielen. Auch dass der alternde Herr seine Feindeslisten nur führte, um sie sich alleine durchzusehen. All das ist theoretisch möglich.

Wenn aber die geringste Möglichkeit bestand, dass der Mann seine Terrorpläne mit Kameraden geteilt hatte, hätte der Verfassungsschutz sämtliche Betroffene informieren müssen. Nicht nur, um sie zu warnen, sondern auch um zu ermitteln, ob sie selbst Verdächtiges wahrgenommen hatten. Dies ist nicht geschehen. Haben die Behörden leichtsinnig die Sicherheit von Menschen aufs Spiel gesetzt? Oder wurde der Fall im Verfassungsschutzbericht zu Unrecht zum "vereitelten Anschlag" aufgeblasen? Diese Fragen müssen beantwortet werden. (Colette M. Schmidt, 23.5.2023)