Tausende Menschen demonstrieren in Serbien zum vierten Mal gegen Gewalt
Tausende Menschen demonstrieren in Serbien zum vierten Mal gegen Gewalt
REUTERS/Marko Djurica

Belgrad – Tausende Menschen haben sich am Samstag in Belgrad beim bereits vierten Protest "Serbien gegen Gewalt" eingefunden. Dieser wurde erneut – wie schon in der Vergangenheit – von fünf proeuropäischen Oppositionsparteien organisiert.

Auch wenn Präsident Aleksandar Vučić bei der Kundgebung seiner Anhänger am Freitagabend der Opposition einen Dialog angeboten hatte, um offene Fragen zu lösen, waren die ersten Reaktionen aus den Oppositionsreihen eher zurückhaltend. Die Behörden sollen zuerst die bereits beim ersten Protest gegen Gewalt am 9. Mai formulierten Forderungen erfüllen, danach könne man über Weiteres reden, hieß es.

Verlangt wird der Rücktritt von Innenminister Bratislav Gasic und dem Chef des BIA-Nachrichtendienstes, Aleksandar Vulin. Aber auch der Entzug von Frequenzgenehmigungen zweier regimenaher TV-Sender – Pink und Happy –, die nach Ansicht der Opposition mit ihren Programmen Hass und Gewalt fördern, steht auf der Liste der Forderungen.

Schießerein mit 18 Todesopfern

Anlass für die Proteste waren zwei Schießereien in Belgrad und Mladenovac Anfang Mai, bei welchen 18 Personen – mehrheitlich Volksschüler und junge Menschen – getötet und 20 verletzt wurden. Das Inneministerium hatte daraufhin die Bürger aufgefordert, ihre illegalen Waffen abzugeben. Bisher wurden laut Amtsangaben über 50.000 Stück Waffen ausgehändigt. Die Opposition ist allerdings überzeugt, dass auch einzelne regime-kontrollierte Medien wesentlich zur Gewalt in der Gesellschaft beitragen.

Präsident Vučić zeigte bisher keine Bereitschaft, die Forderungen der Opposition zu erfüllen, wenngleich er sich am Freitag zu einer kleinen Schönheitskorrektur entschieden hatte. Der TV-Sender Pink soll nämlich seine für Gewalt bekannten Reality-Shows einstellen. Mit einer Menschenkette um das Gebäude des öffentlichen TV-Sender RTS wollte die Opposition heute den Sender dazu bewegen, über die anhaltenden Proteste auch zu berichten.

Laut regierungsnahen Medien hatte Vučić bei seiner Kundgebung am Freitag über 200.000 Anhänger versammelt, eine Zahl, die in Beobachterkreisen stark angezweifelt wurde. Immerhin schienen sich bei dem Oppositionsprotest am Samstag wesentlich mehr Menschen versammelt zu haben.

Vučić gibt Parteivorsitz ab

Unterdessen löst der serbische Verteidigungsminister Milos Vučević Präsident Aleksandar Vučić an der Spitze der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) ab. Der Parteitag der SNS wählte am Samstag in Kragujevac den 48-jährigen Vučević auf Vorschlag von Vučić ohne Gegenkandidaten zum neuen Vorsitzenden. Er war seit 2016 auch einer der Vize-Vorsitzenden der SNS.

Vučić bestimmt seit 2012 in verschiedenen Funktionen die Geschicke des Landes. Kritiker werfen ihm einen autoritären Regierungsstil vor. Zusammen mit einem engen Kreis kontrolliert er die meisten Medien, die Justiz und einen Teil der Wirtschaft. Vučić hätte eigentlich im Sinne der Verfassung den Parteivorsitz bereits nach Antritt seiner ersten Präsidentschaft 2017 niederlegen müssen.

In Serbien zweifelt niemand daran, dass er weiter das informelle und alleinige Zentrum der Macht im Land bleiben wird, denn Vučević gilt als getreuer Gefolgsmann des Präsidenten. Der Rechtsanwalt war von 2012 bis 2022 Bürgermeister von Novi Sad, der zweitgrößten Stadt Serbiens. Kritikern zufolge ordnete er die Amtsführung völlig den Geschäftsinteressen umstrittener Investoren aus dem Umkreis der SNS unter. Nach den Wahlen im Vorjahr wurde er Verteidigungsminister.

Vučić kündigte zuletzt an, eine neue Volksbewegung mit ihm selbst an der Spitze zu schaffen. Diese soll Menschen parteiübergreifend ansprechen. Zugleich bleibe er selbst Mitglied der SNS, sagte er am Samstag auf dem Parteitag in Kragujevac, 110 Kilometer südlich von Belgrad. (APA, 27.5.2023)