Nicola Sturgeon war mehr als acht Jahre lang Regierungschefin in Schottland.
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Edinburgh – Die frühere schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ist kurz nach ihrer Festnahme wieder auf freien Fuß gekommen. Gegen sie seien keine formellen Anschuldigungen erhoben worden, teilte die schottische Polizei am Sonntagabend mit. Die Ermittlungen dauerten weiter an, hieß es. Die 52-Jährige war rund sieben Stunden zuvor als Verdächtige im Zuge von Ermittlungen zu finanziellen Ungereimtheiten in ihrer Partei festgenommen worden.

In einer Erklärung beteuerte Sturgeon kurz darauf ihre Unschuld. Sich in der Situation wiederzufinden, in der sie sich am Sonntag befunden habe, sei sowohl ein Schock als auch zutiefst erschütternd, teilte die Ex-Regierungschefin am Abend auf Twitter mit. "Unschuld ist nicht nur eine Vermutung, die dir gesetzlich zusteht. Ich weiß ohne jeden Zweifel, dass ich in der Tat unschuldig bin", erklärte sie. Sie brauche nun ein oder zwei Tage, um die jüngsten Entwicklungen zu verarbeiten. Dann habe sie vor, bald zurück im Parlament zu sein, um ihren Wahlkreis weiter zu vertreten.

Wenige Monate nach ihrem Rücktritt als schottische Regierungschefin war Sturgeon im Zuge von Ermittlungen zu finanziellen Ungereimtheiten in ihrer Partei festgenommen worden. Sie befand sich in Gewahrsam und wurde von Ermittlern befragt, teilte die Polizei am Sonntag mit. Sie gelte als Verdächtige im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungen zu den Finanzen der schottischen Regierungspartei SNP.

Zweckentfremdung von Spenden

Sturgeons Sprecherin bestätigte am Sonntag entsprechende Medienberichte. Sturgeon habe zugesagt, bei der Aufklärung der Affäre zu kooperieren, und halte daran fest. Auch von der SNP hieß es, man kooperiere vollständig mit den Behörden.

Bei den seit 2021 laufenden Ermittlungen geht es um eine mögliche Zweckentfremdung von Spenden in Höhe von knapp 667.000 Pfund (rund 780.000 Euro), die 2017 von Befürwortern der Unabhängigkeit Schottlands für eine entsprechende Kampagne eingesammelt wurden. Das Geld könnte für andere Zwecke ausgegeben worden sein. Bereits im April waren erst ihr Ehemann Peter Murrell und dann auch SNP-Schatzmeister Colin Beattie festgenommen worden. Beide kamen später wieder frei, ohne dass Anschuldigungen gegen sie erhoben wurden. Die Behörden durchsuchten auch eine Reihe von Grundstücken, darunter das Haus von Sturgeon und Murrell sowie die Parteizentrale der SNP in Edinburgh.

Schwerer Schlag für SNP

Sturgeon, eine lautstarke Gegnerin des Brexits, wurde im Laufe ihrer Regierungszeit zum Gesicht der schottischen Unabhängigkeitsbewegung. Mitte Februar hatte sie nach mehr als acht Jahren überraschend ihren Rückzug von der Partei- und Regierungsspitze angekündigt. Damals gab es bereits Vorwürfe gegen ihren Ehemann. Sie beteuerte aber, nicht aus Druck zurückzutreten, sondern weil sie "mit Herz und Verstand" wisse, dass es der richtige Zeitpunkt dafür sei.

Neuer Partei- und Regierungschef ist seit Ende März Sturgeons 38-jähriger Vertrauter Humza Yousaf. Sturgeon ist weiterhin Abgeordnete für den Wahlkreis Glasgow Southside.

Politisch betrachtet bedeutet Sturgeons Festnahme einen schweren Schlag für die SNP. Yousaf habe versucht, den Fokus weg von Festnahmen und polizeilichen Ermittlungen und wieder hin zu Politik und Visionen der Partei zu richten, analysierte der BBC-Korrespondent Nick Eardley. Es sei unvermeidlich, dass sich Yousaf nun tagelang Fragen über die Festnahme und deren Bedeutung für die Partei gefallen lassen müsse. (APA, 11.6.2023)