Monenegro: Spajić in dunkelblauem Anzug umgeben von Parteimitgliedern
Seine Parteifreundebei "Europa jetzt" feierten Spajić bereits in der Nacht auf Montag als künftigen Premier Montenegros.
REUTERS/STEVO VASILJEVIC

Podgorica – Montenegro hat am Sonntag – bei der niedrigsten jemals verbuchten Wahlbeteiligung von rund 56 Prozent – sein neues Parlament gewählt. Die ersten, inoffiziellen Resultate deuten laut Analysten darauf hin, dass es kompliziert sein dürfte, eine stabile Regierung aufzustellen.

Die im vergangenen August gebildete pro-europäische Bewegung "Europa jetzt" von Milojko Spajić hat sich laut inoffiziellen Resultaten zwar als Wahlsieger etabliert. Die bis April von Milo Đukanović geleitete, nun zweitplatzierte Demokratische Partei der Sozialisten (DPS) unter dem neuem amtierendem Vorsitzenden Danijel Živković hat allerdings wohl ein weiteres Sinken ihrer Popularität aufgehalten.

Laut den Resultaten, die in der Nacht auf Montag die nicht-staatlichen Organisationen Cemi und CDT veröffentlicht haben, hat sich "Europa jetzt" 25,5 oder 26 Prozent der Stimmen gesichert, was ihr 24 von 81 Parlamentssitzen bringt. Gleich dahinter bleibt die DPS mit 23,8, beziehungsweise 23 Prozent der Stimmen und 21 Mandaten. Drittplatzierte ist demnach die proserbische und prorussische Koalition "Für ein besseres Montenegro" mit 14,7, beziehungsweise 15,1 Prozent der Stimmen und 13 beziehungsweise 14 Parlamentssitzen.

Spajić schließt Regierung mit DPS und URA aus

Das Bündnis der Demokraten und der URA des bisherigen amtierenden Premiers Dritan Abazović kann mit 12,3, beziehungsweise 13 Prozent der Stimmen und elf oder zwölf Parlamentssitzen rechnen. Die Partei der Bosniaken hat sich mit 6,8 Prozent der Stimmen sechs Sitze gesichert.

Während am Montag zuerst noch ungewiss war, ob einige von drei weiteren Parteien, welche dicht an der Drei-Prozent-Hürde standen, den Sprung ins Parlament geschafft haben, haben drei Minderheitenparteien, zwei albanische (Albanisches Forum und Albanische Allianz) und eine kroatische (HGI), insgesamt vier Sitze bekommen.

Spitzenkandidat Spajić, der von seinen Parteifreunden schon in der Nacht auf Montag als künftiger Premier gefeiert wurde, hat Gespräche mit allen Parlamentskräften in Aussicht gestellt. Allerdings hat er ein Regierungsbündnis mit der DPS und der URA von Abazović, dem er die Affäre um den Kryptowährungsbetrüger Do Kwon vorwirft, klar ausgeschlossen. Der in Podgorica am 23. März festgenommene Südkoreaner soll in einem Schreiben an Abazović kurz vor dem Wahltag den Vorsitzenden von "Europa jetzt" schwer belastet haben. "Europa jetzt" hat die Vorwürfe zurückgewiesen, die Staatsanwaltschaft hat die Affäre bisher nicht kommentiert.

DPS: "Wir sind stärker als Stahl"

"Wir sind stärker als der Stahl", freute sich in der Wahlnacht der amtierende DPS-Vorsitzende Živković. Der 35-jährige ist überzeugt, dass es ohne seine Partei in Montenegro nun gar keine stabile, proeuropäische Regierung geben kann. "Wir, die den europäischen Weg gestartet haben, werden das Land in die Europäische Union führen", zeigte er sich überzeugt.

Auch die proserbische und prorussische Koalition "Für ein besseres Montenegro" rechnet nach Worten von Milan Knežević, einem ihrer Spitzenfunktionäre, mit der Regierungsbeteiligung. Davon ist auch die Koalition der Demokraten von Aleksa Bečić und URA von Abazović überzeugt.

Analysten: Große Koalition von "Europa jetzt" und DSP

Die Wahlresultate deuten nach Meinung manch eines Analysten allerdings daraufhin, dass eigentlich nur eine große Koalition zwischen "Europa jetzt" und der DPS auch eine stabile Regierung sichern könnte - ein Regierungsbündnis, das in Montenegro derzeit wohl völlig ausgeschlossen ist.

Der Adriastaat habe eine Zeitspanne der politischen Instabilität betreten und es werde noch mehrere Urnengänge geben, bis sich die Situation stabilisiert habe, sagte gegenüber dem Sender "Free Europe" der frühere Diplomat Vesko Garčević. "Wir können relativ bald - in etwa zwei Jahren - Neuwahlen erwarten", meinte laut der Tageszeitung Vijesti auch der politische Analyst Miloš Bešić. (APA, red, 12.6.2023)