Ab und zu streckt sie ihre Beine aus dem Badeschaum und streichelt ihre goldene Rolex-Uhr. Jovana Jeremić, die in einer mit rosaroten und weißen Stoffblumen umrandeten Badewanne liegt, wurde vom serbischen TV-Sender Pink auserkoren, die Aufarbeitung der Amokläufe mit insgesamt achtzehn Toten für die serbische Gesellschaft zu übernehmen. Die "Gucci-Mama" kratzt dabei nicht einmal an der Oberfläche des Problems. Sie bezeichnet einen der Attentäter als Monster und meint, man solle nicht die Falschen beschuldigen – nämlich die Fernsehsender.

Ihr Sender Pink TV und Happy TV stehen nämlich seit den zwei Gewalttaten Anfang Mai als jene Medien in der Kritik, die ein Klima der Gewalt in Serbien fördern, weil sie Verbrecher – unter anderem Kriegsverbrecher – zu Wort kommen lassen, häusliche Gewalt verharmlosen und gleichermaßen Sexismus wie Rassismus gegen Minderheiten pflegen. Pink und Happy sind auch mediale Stützen des autokratischen Regimes unter Aleksandar Vučić.

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DER STANDARD

Wachgerüttelt

Die Gewalttaten gegen vor allem junge Menschen haben die serbische Gesellschaft wachgerüttelt. Seit sechs Wochen gehen Freitag für Freitag Zehntausende auf die Straße und fordern, dass Medien, die Fake News verbreiten und Gewalt verherrlichen, nicht mehr erscheinen sollen. Sie kritisieren Vučićs Bund mit Kriminellen und den allgegenwärtigen Kult um seine Person. Und sie verweisen darauf, dass es seit Jahresbeginn bereits 18 Femizide in Serbien gab.

Auch die jüngste Gewalt sorgte für Schockwellen. Vor zwei Wochen griffen im Ort Zvečan im Nordkosovo kriminelle serbische Fußballhooligans und ehemalige serbische Sicherheitskräfte Nato-Soldaten an. Diese erlitten durch die Böller der Kriminellen, die mit Nägeln und Schrauben gespickt waren, teilweise extrem schwere Verletzungen.

Doch nicht das serbische Regime, das diese Kriminellen kontrolliert, wurde danach vom Westen kritisiert. Die USA machten den kosovarischen Premier Albin Kurti für die Eskalation verantwortlich, weil er vier gewählte Bürgermeister – allesamt Albaner – in Gemeinden im Norden des Kosovo geschickt hatte. Der US-Botschafter in Serbien, Christopher Hill, sagte kürzlich sogar, dass man zwar auf Vučić als "guten Partner" zählen könne, fraglich sei aber ob, die USA auf Kurti als Partner zählen könnten. Wie am Dienstagabend bekannt wurde, hat sich Kurti unter dem Druck des Westens inzwischen zu einer Wiederholung der umstrittenen Kommunalwahlen in den Gebieten der serbischen Minderheit bereiterklärt.

Die USA sagten die Teilnahme des Kosovo an den Nato-Übungen Defender 23 ab. Andere westliche Staaten wie Belgien und Frankreich drohen damit, die Visaliberalisierung für den Kosovo rückgängig zu machen, die für nächstes Jahr versprochen ist, andere wiederum wollen Geld aus dem Kosovo abziehen. Während die Regierung des pro-amerikanischen Kosovo mit einigem Erfolg gegen Korruption vorgeht und der links und westlich orientierte Kurti am Sonntag an der Pride in Prishtina teilnahm, unterstützt der Westen den illiberalen Vučić, der seine Armee an die kosovarische Grenze schickte und mit dem Kreml kooperiert.

Hegemoniale Politik

Der Westen ist derzeit offenbar nicht an einer Demokratisierung des Westbalkans interessiert, vielmehr werden hegemoniale und nationalistische Kräfte in der Region auf Kosten der kleinen multinationalen Staaten unterstützt. Eine Rolle spielen dabei Geschäftsinteressen und Lobbyisten. 60 Prozent der Werbeeinnahmen für serbische Medien kommen der NGO CRTA zufolge von westlichen Unternehmen.

Österreich, das sehr enge Beziehungen mit dem Regime Vučićs pflegt, möchte gemeinsam mit anderen mitteleuropäischen Staaten ein Verteidigungscollege für die Westbalkanstaaten in Sarajevo errichten. Allerdings ist auch in diesem Fall nicht klar, ob der Kosovo mitmachen darf. Serbien will das natürlich nicht. "Derzeit haben Länder wie Albanien, Nordmazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und Serbien Interesse gezeigt", erklärt das Verteidigungsministerium in Wien dazu. Die ersten Ausbildungskurse sollen 2024 starten.

Auf Nachfrage des STANDARD, ob der Kosovo teilnehmen könnte, heißt es im Verteidigungsministerium: "Natürlich wurden auch Länder wie Kosovo darauf angesprochen, doch wird die Teilnahme Kosovos derzeit noch diskutiert." Es herrschten nämlich nicht nur Spannungsfelder zwischen den Westbalkanstaaten, es wird auch darauf verwiesen, dass einige EU-Staaten den Kosovo nicht anerkannt haben. "Da es aber ein EU-Projekt ist und Österreich den Frieden ja dadurch fördern will, möchte man hier auch Kosovo die Teilnahme ermöglichen. Ein Ausgang ist aber derzeit nicht absehbar", so das Ministerium.

Beziehungen stärken

Auch im Verteidigungsministerium im Kosovo nimmt man Stellung: "Die Entscheidung, Kosovo in dieses Projekt einzubeziehen, liegt letztendlich bei der EU und den teilnehmenden Ländern. Die Teilnahme an diesem Projekt kann als wichtige Chance für Kosovo angesehen werden, unsere Beziehungen zu den Nachbarländern zu stärken." Der albanische Ministerpräsident Edi Rama sagte eine für Mittwoch geplante gemeinsame Regierungssitzung mit der kosovarischen Regierung ab. (Adelheid Wölfl, 14.6.2023)