Ein Gespenst geht um in Österreich. Nein, die Rede ist in dem Fall nicht von Kommunismus und Marxismus, aber Andreas Babler kann trotzdem viel dafür. Der neue SPÖ-Chef hat die Debatte über eine Besteuerung von Vermögen aufwallen lassen – und damit die Angst jener, die dahinter einen ersten Schritt zur Enteignung sehen.

Andreas Babler
SPÖ-Chef Andreas Babler heizt die Debatte um eine Vermögenssteuer erneut an.
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Dabei ist es einigermaßen kurios, dass der Ruf nach einer Steuer auf Vermögen über einer Million Euro als Beleg für einen Linksruck der SPÖ gilt. Schon vor über zehn Jahren hat Bablers Vorvorvorgänger Werner Faymann die haargenau gleiche Idee propagiert. Seither ist die "Reichen-" oder "Millionärssteuer" durchgehend sozialdemokratische Parteilinie, von einem kurzen Wackler abgesehen. Pamela Rendi Wagner tat das Anliegen in einem unüberlegten Moment als nebensächlich ab, worauf ihr prompt eine Protestwelle aus den eigenen Reihen entgegenschwappte.

Der Staat in misslicher Lage

Doch was Tradition hat, muss noch lange nicht rückwärtsgewandt sein. Zukunftsvergessen sind viel eher jene Kräfte, die eine Vermögensbesteuerung von vornherein kategorisch ablehnen. Alle reflexgeleiteten Gegner sollten sich vor Augen führen, in welcher Lage sich die nächste Regierung nach Corona-Pandemie und Teuerungskrise wiederzufinden droht. Die Zeit des Koste-es-was-es-wolle wird definitiv vorbei sein.

Massive Ausgaben kommen auf die Republik zu. Die Alterung der Gesellschaft treibt die Kosten von Gesundheitsversorgung, Pflege und Pensionen nach oben. Weil es vielerorts, etwa in Spitälern, schon jetzt an Personal fehlt, muss der Staat zusätzlich Geld für höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen aufbieten – und da reden wir noch gar nicht über dringende Investitionen in den Klimaschutz und das Bildungssystem, wo die Ressourcen ebenso der Herausforderungen spotten. Gleichzeitig klettern die Zinsen auf Staatsschulden empor. Auf Pump zu wirtschaften wird eklatant teurer.

Wo letztlich gespart wird

Damit das Budget da halbwegs ausgeglichen bleibt, kann die öffentliche Hand natürlich auch sparen. Doch selbst wenn etwa beim laufenden Finanzausgleich eine der vielbeschworenen "Strukturreformen" glückt, würde der Effekt erst verzögert eintreten und den altersbedingten Geldbedarf niemals voll kompensieren. Die realpolitische Erfahrung zeigt, wo letztendlich gespart wird: bei Investitionen in wohlfahrtsstaatliche Angebote – mit überlasteten Spitälern, Pflegeheimen und Schulen als Folge.

Man muss durch keine marxistische Brille blicken, um in dieser Situation zum Schluss zu kommen: Ein Extrabeitrag sehr wohlhabender, aller Existenzsorgen lediger Menschen ist höchst angemessen. Das gilt erst recht, da das SPÖ-Konzept weniger als die obersten zehn Prozent der Haushalte trifft, aber sicher nicht die Mittelschicht. Der Steuersatz von 0,5 Prozent wird erst auf jenen Vermögensanteil fällig, der eine Million Euro netto übersteigt.

Obendrein wirkt Babler verhandlungsbereit. Im STANDARD-Interview versteifte er sich keinesfalls auf eine Substanzsteuer, die zwar nicht der Bevölkerungsmehrheit, aber den potenziellen Koalitionspartnern ÖVP und Neos ein Gräuel ist. Der SPÖ-Chef sprach lediglich von einer "wirksamen" Besteuerung – und ließ damit Spielraum offen. Nicht Babler und Co verhalten sich in der Debatte wie verbohrte Ideologen, sondern all jene, die einen Obolus für Vermögende in Bausch und Bogen ausschließen. (Gerald John, 18.6.2023)