Wer seinem Kind ein Schmerzmittel gibt, muss auf die richtige Dosierung achten. Eine Überdosierung kann schwerwiegende Folgen haben – aber auch zu wenig ist nicht gut.
Wer seinem Kind ein Schmerzmittel gibt, muss auf die richtige Dosierung achten. Eine Überdosierung kann schwerwiegende Folgen haben – aber auch zu wenig ist nicht gut.
Getty Images/skynesher

Babys weinen, wenn sie Schmerzen haben. Aber sie weinen auch, wenn sie hungrig sind, wenn ihnen kalt oder heiß ist oder wenn sie mit Mama und Papa kuscheln möchten. Darum ist es für Eltern nicht immer leicht zu erkennen, was der Nachwuchs gerade braucht – und ob hinter dem Weinen vielleicht sogar starke Schmerzen stecken. Und selbst bei größeren Kindern, die Schmerzen verbal äußern können, ist nicht immer klar, ob es sich um wirkliches Bauchweh handelt oder doch ein Bedürfnis nach Nähe dahintersteckt. Hinzu kommt, dass viele Kleinkinder häufig nicht benennen können, was ihnen konkret wehtut. Bei Zahnschmerzen greifen sich viele Kinder an den Kopf oder sie sprechen von Bauchweh, wenn ihnen eigentlich schlecht ist.

Laut der deutschen Schmerzgesellschaft leidet im Schnitt jedes fünfte Kind mindestens einmal pro Woche unter Schmerzen. Meistens seien das Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen. Aber egal, um welche Leiden es sich handelt, sie sollten immer ernst genommen werden. Peter Voitl, Kinderarzt aus Wien, erklärt: "Schmerzen haben für Kinder einen ganz anderen Charakter als für Erwachsene. Wir wissen zum Beispiel bei Zahnschmerzen, dass man etwas dagegen tun kann und dass sie auch wieder vorbeigehen werden. Ein Baby ist dem Schmerz jedoch existenziell ausgeliefert. Es weiß nicht, warum ihm plötzlich etwas wehtut und ob der Schmerz jemals wieder aufhören wird." Darum sollten Eltern die Schmerzen ihrer Kinder niemals akzeptieren. 

Ja-oder-nein-Entscheidung

Wenn Kindern etwas wehtut, gibt es zwei Schmerzmittel, die in der richtigen Dosierung verwendet werden können. Die Wirkstoffe Ibuprofen und Paracetamol sind für Kinder zugelassen und werden auch zum Fiebersenken eingesetzt. Und beim Fieber sind sich Eltern dann meist schneller sicher, ob ein Medikament zum Einsatz kommen sollte. Denn die Körpertemperatur kann gemessen werden – ein Messgerät für Schmerzen gibt es aber nicht. Kinderarzt Voitl macht in seiner Praxis häufig die Erfahrung, dass Eltern sehr vorsichtig mit Schmerzmitteln umgehen. "Bei pharmazeutischen Produkten sind viele Eltern zurückhaltend. Sie greifen lieber zu Naturheilmitteln. Für die gibt es in den meisten Fällen aber keine verlässlichen Daten für Kinder. Viele davon enthalten auch viel zu viel Zucker, manche sogar Alkohol. Doch sobald das Wort 'natürlich' draufsteht, glauben viele, dass man damit nichts falsch machen kann. Das stimmt so aber nicht." 

Was sollen Eltern nun tun, wenn sie den Verdacht haben, dass das Kind Schmerzen hat? Verhält es sich nicht so wie üblich, sollten sie versuchen, den Grund herauszufinden und zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin gehen. Voitl betont: "Es ist wichtig, die Ursache für die Schmerzen zu kennen. Wenn das Kind etwa eine Mittelohrentzündung hat, dann weiß man einfach, dass es drei Tage lang schrecklich wehtun wird. Schmerzmittel sollten in diesem Fall nicht erst bei Bedarf gegeben werden, wie es oft gehandhabt wird. Denn bei Bedarf bedeutet, dass man so lange wartet, bis das Kind Schmerzen hat. Wer seinem Kind in so einem Fall dreimal pro Tag ein Schmerzmittel in der richtigen Dosierung gibt, lässt den Schmerz erst gar nicht zu."

Vor allem die Menge ist relevant. In dem Glauben, etwas Gutes zu tun, verabreichen manche Eltern die Arznei in reduzierter Dosierung. Davon rät der Experte jedoch dringend ab: "In der Regel werden Schmerzmittel von den Eltern zu niedrig dosiert. Das bringt aber überhaupt nichts. Eltern müssen sich dazu entscheiden, ob sie ein Medikament geben oder nicht. Und wenn sie sich dafür entscheiden, dann bitte auch in der richtigen Menge. Das ist eine Ja-oder-nein- und keine Ein-bisschen-Entscheidung."

Schmerz gar nicht erst zulassen

Ob ein Kind wirklich Schmerzen hat, ist jedoch nicht immer ganz leicht zu erkennen. Hinter dem Bauchweh am Morgen kann sich auch der Wunsch nach Zuneigung verbergen oder die Hoffnung, nicht in die Schule gehen zu müssen. In diesem Fall würden Medikamente natürlich keine Linderung bringen. "Eltern kennen ihr Kind am besten und stellen meist recht schnell fest, was sich hinter dem Schmerz verbirgt. Echte Schmerzen treten häufig auch in Verbindung mit anderen körperlichen Symptomen auf, etwa einer erhöhten Pulsfrequenz, und auch das Schlafen fällt dann in den meisten Fällen schwer", erklärt der Kinderarzt. 

Was aber nicht heißen soll, dass man die vermeintlichen Bauchschmerzen einfach ignorieren sollte. Im besten Fall versucht man, mit dem Kind zu sprechen und herauszufinden, was sich hinter dem Unwohlsein verbirgt. Wer sich nicht sicher ist, kann es zuerst mit Ablenkung probieren, sagt der Experte: "Wenn sich das Kind schnell ablenken lässt oder der Säugling durch Berührung und gutes Zureden wieder zufrieden ist, steckt vermutlich nichts Ernstes dahinter. Bei vielen Säuglingen ändert sich auch das Weinen, wenn sie starke Schmerzen haben. Es wird dann schriller und lauter."

Für Voitl ist auch die Schmerzprävention von großer Bedeutung, sie werde zu wenig praktiziert. Etwa wenn eine Impfung oder Blutabnahme ansteht: "Kinder haben einen ganz anderen Zugang zu Nadeln als Erwachsene. Für sie sind der Stich und vor allem die Angst vor dem Schmerz sehr unangenehm. Außerdem wird ihre körperliche Integrität verletzt, ohne dass sie wirklich verstehen, warum. Darum empfehle ich Eltern, im Vorhinein eine Lokalanästhesie zu verlangen. Entweder mit einem Kältespray oder der sogenannten EMLA-Creme." Beide betäuben die Haut, und der Stich ist kaum noch spürbar. (Jasmin Altrock, 26.6.2023)