Starfield, ein Blick aufs All
Bethesdas "Starfield" soll mit 1.000 besuchbaren Planeten aufwarten.
Bethesda Games

Der Weltraum – unendliche Weiten. Majestätisch glitzern die Eisringe des Saturn. Über dem Horizont eines fremden Planeten geht riesenhaft eine fremde Sonne auf. Gigantische Schiffe, die brennen, draußen vor der Schulter des Orion … Science-Fiction-Fans wissen es: Wenn es um den Reiz des Weltalls geht, ist Staunen angesagt. Staunen angesichts der unmenschlichen Dimensionen, angesichts gewaltiger Naturschauspiele, lebensfeindlicher Schönheit und titanischer Gewalten. Ist eine Supernova schön? Vielleicht. Vor allem aber ist sie eines: erhaben.

Das Erhabene ist ein etwas antiquierter Begriff für etwas, das den Kern vieler Weltraumvisionen ausmacht. Ohne das Philosophielexikon auszupacken: Erhabenheit hat mit Größe zu tun, mit der Differenz zum Menschlich-Kleinen, mit Verehrung und Schrecken zugleich, mit dem Gefühl, etwas unendlich Mächtigerem, Großem gegenüberzustehen, vor dem die eigene Existenz klein und unwichtig wird. Das kann ein Berg sein, eine Gewitterfront, das Meer, ein Sonnenuntergang, die schreckliche Schönheit eines Vulkanausbruchs oder der Planet Jupiter. Wer die Kunstwerke der Science-Fiction-Illustration kennt, weiß, wovon die Rede ist.

Wer die jüngsten Trailer zu Bethesdas kommendem Sci-Fi-Rollenspiel "Starfield" gesehen hat, weiß das ebenso. Schon die ersten 20 Sekunden erinnern uns daran, wie groß das All, wie klein wir sind. Alles hier ist riesig: die Bauwerke, die seltsamen außerirdischen Lebewesen, die Raumschiffe und die Planeten und Sterne sowieso. Ein gewaltiges Weltall, 50 Lichtjahre im Radius, 100 Sonnensysteme, 1.000 besuchbare Planeten, die größte Stadt, die es je in einem Bethesda-Spiel gegeben hat – bigger is better. Andere Weltraumspiele warten dabei mit noch weitaus größeren Zahlen auf: "No Man's Sky" hat bekanntlich mit 18 Trillionen Planeten geprotzt, "Elite Dangerous" kommt auf 400 Milliarden Sonnensysteme. Die Luxusbaustelle "Star Citizen" wirkt dagegen mit 324 Planeten ziemlich winzig.

"Skyrim" im Weltraum

"Starfield", so ist das Versprechen, wird uns mit seiner Erhabenheit zum Staunen bringen. Bei Dimensionen wie den oben genannten kommt einem allerdings die Aussage, dass die Main Quest von "Starfield" "nur" in etwa 20 Prozent größer als jene von "Fallout 4" und "Skyrim" sein soll, fast schon enttäuschend vor. Ein Abenteuer, das so sehr an unsere Sehnsucht nach der erhabenen Größe appelliert, müsste doch irgendwie gefühlt noch viel größer sein – oder?

Der Vergleich zumindest mit "No Man's Sky" und "Elite Dangerous" ist natürlich unfair, denn im Unterschied zu diesen wird "Starfield" eben ein Rollenspielabenteuer, mit Story, Figuren, Quests und linearen Handlungssträngen. Zweifellos eines, das dutzende, wenn nicht hunderte Stunden beschäftigt. Auch wenn Bethesda die genannten 1.000 Planeten bei Anflug "nur" prozedural generieren lässt, ist das immer noch ein Riesenhaufen Content, der erst einmal gebaut werden muss. Und mal ehrlich: Besonders viel zu tun gibt es im Weltall von "No Man's Sky" und "Elite Dangerous" auch nicht gerade – wer sich nicht selbst zu beschäftigen weiß, braucht nicht auf Animationsprogramm à la "Werde zum Retter der Menschheit" hoffen.

Genau das soll "Starfield" im Gegensatz dazu als Bethesda-Rollenspiel durchaus bieten, allerdings – so viel ist prinzipiell schon jetzt klar – geht exakt das nur auf Kosten jenes Gefühls, von dem viele Science-Fiction-Werke leben: Entweder erschaudere ich als kleines Menschlein angesichts der erhabenen Größe des Kosmos – oder aber ich bin das Zentrum einer Spielewelt, die sich erzählerisch und spielmechanisch letztlich um mich und meine Bedürfnisse dreht.

Gameplay oder Erhabenheit

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ob "Starfield" ein gutes oder schlechtes Spiel wird, bleibt davon völlig unberührt. Der Hinweis darauf, dass die Sehnsuchtsbilder eines gewaltigen, unmenschlich großen Weltraums und das Versprechen von 1.000 ganzen Planeten mit den grundlegendsten Anforderungen ans Gameplay niemals zusammenpassen können, darf aber sein. Für jeden Aufgang einer fremden Sonne über außerirdischen Planeten, für jeden Moment des Staunens über die C-Beams, glitzernd im Dunkeln, nahe dem Tannhäuser Tor, wird man sich wohl oder übel durch Inventory-Screens und Konversationsbäume klicken, Zeit in Upgrade-Screens verbringen und nach Jetztstand ziemlich generisch aussehende Third-Person-Feuergefechte liefern müssen. Klar: Das ist das Spiel.

Das ist das Spiel: neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen, viele Lichtjahre von der Erde unterwegs in Galaxien vorzudringen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat – und das vermutlich mit einem Logbuch voller Haupt- und Nebenquests, die wir hier wie gewohnt in bester Open-World-Patentrezeptmanier nacheinander abhaken. "Das Erstaunliche", so raunt der Trailer, "ist nicht die Weite des Sternenmeeres, sondern dass wir es vermessen haben … Wir sind hier, weil wir die größte Frage aller Zeiten beantworten wollen: Was ist da draußen?" Ohne zu spoilern: vermutlich ein Spiel, in dem uns jemand wiederholt fragen wird, ob wir oft in den Wolkenbezirk kommen und in dem wir auf kurz oder lang einen Rucksack voll unnützem Zeug mit uns herumschleppen.

Mit anderen Worten: "Starfield" wird zwar relativ groß, aber in entscheidender Art und Weise eben auch auf banal-praktische Menschengröße, auf Bethesda-RPG-Size, geschrumpft sein – und damit eigentlich lächerlich klein, wenn man an die Riesenhaftigkeit seiner Versprechen vom Erhabenen denkt.

Das mag kein Widerspruch sein, der die Freude an einem hoffentlich gelungenen bombastischen neuen Rollenspiel nachhaltig trüben kann. Es ist allerdings einer, der bei manchem vielleicht in sanfte Enttäuschung münden muss. Die Sehnsucht nach dem Erhabenen, nach der Endlosigkeit, wie sie etwa gute Science-Fiction-Illustration und letztlich auch das Trailermaterial von "Starfield" und Co regelmäßig bedient, kann ein Spiel, das diesem Versprechen naturgemäß Regeln, Grenzen, Gameplayloops anlegt, vermutlich niemals befriedigend bedienen. Schade eigentlich. (Rainer Sigl, 25.6.2023)